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BG, Urteil v. 27.02.1945, Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht, 1948, p. 112 et seq.

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BG, Urteil v. 27.02.1945, Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht, 1948, p. 112 et seq.
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Centrocooperacia A.G. c. Reinhardt. — 27. Februar 1945. — I. Zivilabteilung.

Tatbestand:

Auf Grund vorausgegangener Korrespondenzen telegraphierte die Firma M. S,, Import und Export in Bratislava (Slowakei), an die Firma Reinhardt in X (Schweiz): „Fest beordern für Rechnung hiesigen Käufers ... x Kilo Angolakaffee zu y Schweizerfranken ab Transitlager Hendaye ausfuhrfrei prompt greifbar. Sofortiges Drahtakkraditiv sobald Käufers Spediteur von seiner Verbindung in Hendaye bestätigt erhält das Partie versandbereit. Drahtbestätigt."

Reinhardt antwortete darauf ebenfalls telegraphisch: „Geordnet empfehle 
Käufer Spediteur Rh. Basel." Am gleichen Tage bestätigte er den Telegrammwechsel schriftlich und bemerkt dazu, er habe sein Telegramm abgesand, nachdem er sich vorher mit dem „Eigner" der "Ware in Verbindung gesetzt habe.

Am folgenden Tage telegraphierte S. an Reinhardt: „Käufe Centrocooperacia A.G. in Bratislava. Spediteur I. hier wurde beauftragt Existenznachweis via D. Basel einzuholen." In seinem Schreiben vom gleichen Tage bestätigte S. den Empfang der Depesche Reinhardts und stellte fest, ...daß wir somit den Kontrakt zustande gebracht haben ..." Nach Wiedergabe des Textes seines eigenen Telegrammes fuhr er sodann fort „...und erlaube mir zu wiederholen, daß Sie demzufolge an die Centrocooperacia A.-G. in Bratislava verkauft haben: circa, x Kilo Angolakaffee ... zum Preise von y Schweizerfranken per Kg netto ab Transitlager Hendaye ausfuhrfrei, prompt bar, Neugewicht Hendaye. Zahlung: durch unwiderrufliches übertragbares 113 teilbares Akkreditiv bei einer Schweizer Großbank benutzbar gegen Auslieferungsdokument, welches vom Käufer drahtlich zu erstellen ist, sobald die Speditionsgesellschaft I, hier, von ihrer Verbindung in Hendaye bestätigt erhält, daß die Partie versandbereit liegt ..".

Sechs Tage später vereinbarten S. und Reinhardt sodann telephonisch, daß letzterer die Speditionsfirma Rh. in Basel veranlassen werde, noch am gleichen Tage dem I. eine Bestätigung zugehen zu lassen, daß die Ware „kaufgemäß in Heudaye prompt greifbar ausfuhrfrei" lagere. Da eine direkte Erkundigung der I. bei der Rh. ergab, daß diese von Reinhardt keinen Auftrag erhalten hatte, telegraphierte S. noch am selben Tag an Reinhardt; „Rh. mitteilt heute habet bisher Dokumente nicht vorgelegt erlediget sofort dringdrahtet Aufklärung." Als Reinhardt hierauf nicht antwortete, telegraphierte S. am zweitfolgenden Tag neuerdings: „Mein vorgestriges unbeantwortet falls Rh. Montag Existenznachweis nicht drahtet Kontrakt storniert ..." Da auch jetzt Reinhardt vorerst nichts von sich hören ließ, bestätigte S. die beiden letzten Telegramme und fügte bei, daß die Käuferin Centrocooperacia A.-G. nach Ablauf der gesetzten Frist den Kontrakt storniert habe. Nachträgliche Verhandlungen über die Gewährung einer von Reinhardt angeregten Nachfrist führten zu keinem Ergebnis.

Mit ihrer Klage forderte die Centrocooperacla A.-G. von Reinhardt die Bezahlung einer gerichtlich zu bestimmenden Schadenersatzsumme... Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage; Er bestritt vor allem, daß ein Vertrag zustandegekommen sei, da der Existenznachwais der Ware Vertragsbedingung gewesen sei ...

Gegen das den Beklagten zur Bezahlung von n Fr. verpflichtende Urteils des Handelsgerichts erklärten beide Parteien die Berufung an das Bundesgericht. In der Folge zog die Klägerin ihre Berufung zurück. Auf die Berufung des Beklagten wird eingetreten.

Erwägungen (Auszug aus den):

3. — Der Beklagte hält dem von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung eines Vertrages entgegen, ein Vertrag sei gar nicht zustandegekommen. Diese Frage untersteht nach der Rechtssprechung des Bundesgerichls dem Rechte des Abschlussortes und zwar unahhängig davon, nach welchem Recht die Wirkungen des Vertrages zu beurteilen sind (64. II. 349 und dort erwähnte Entscheide). Dieser Lösung wird in der Literatur allerdings mit gewissem Recht entgegengehalten, daß sie zu einer Zerreißung des Vertragsverhältnisses führe, weshalb eine einheitliche Behandlung des Vertrages hinsichtlich der Entstehung wie der Wirkungen wünschbar wäre. Als Kriterium, das eine solche einheitliche Behandlung gestatten würde, wird neustens die für das streitige Rechtsgeschäft charakteristische Leistung empfohlen: Das ganze Rechtsgeschäft soll dem Recht des Schuldortes der charakteristischen Leistung unterstellt sein. Auch in Bezug auf diese Frage ist jedoch im vorliegenden Fall das Resultat dasselbe, so daß sich eine abschließende Entscheidung auch hier erübrigt. Die charakteristische Leistung ist beim Kaufgeschäft die Leistung des Verkäufers, die Ware, während die in Geld bestehende Gegenleistung des Käufers jedes 114 typischen Merkmale entbehrt. Schuldort im Sinne der obengenannten Lehre — der nicht mit dem Erfüllungsort verwechselt werden darf — ist der Ort der Geschäftsniederlassung der Berufsausübung des Verkäufers. Da der in X (Schweiz) geschäftlich tätige Beklagte die Stellung des Verkäufers einnimmt, wäre somit nach dieser Lehre für das ganze Rechtsverhältnis und damit auch für die Frage von dessen Entstehung schweizerisches Recht maßgebend.

Als Abschlußort... hat bei Distanzkauf der Ort zu gelten an dem die Annahmeerklärung abgesandt wird; denn nach Art. 10 OR treten in diesem Zeitpunkt die Wirkungen des Vertrages ein. Der Ort der Annahmeerklärung ist hier wiederum X (Schweiz). Denn die Erklärung des Beklagten war es, die die übereinstimmende Willenserklärung der Parteien herbeiführte. Allerdings war das erste Angebot ebenfalls von ihm ausgegangen. Er machte dem Vermittlungsagenten der Klägerin, S., ein Festangebot über den den Vertragsgegenstand bildenden Kaffee. Die daraufhin telegraphisch erfolgte „Festbeordnung" seitens der Klägerin war aber in Wirklichkeit keine Zusage, sondern eine neue Offerte, indem das Zustandekommen des Vertrages abhängig gemacht wurde vom Eintreffen der „Drahtzusage", d.h. der telegraphischen Annahmeerklärung des Beklagten. So verstand auch der Beklagte das Telegramm des Agenten S., wie aus seinem Schreiben ersichtlich ist, wo er von einem „Festgebot" der Gegenpartei spricht. Ebenso stellte auch der Agent der Klägerin erst nach Empfang der telegraphischen Zusage des Beklagten schriftlich, fest, daß der Kontrakt nunmehr zustandegebracht sei.

Somit ist das schweizerische Recht maßgebend...

6. — ... Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts beurteilen sich die Wirkungen eines Vertrages ... mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Parteien in dieser Hinsicht nach dem Rechte des Landes, mit dem das Rechtsverhältnis den engsten räumlichen Zusammenhang aufweist (67, II, 181; 65, II, 8O; 63, II, 43; 307, 385). Dies ist im vorliegenden Fall das schweizerische Recht ... Die Klägerin hatte den Kaufpreis in Schweizerwährung zu bezahlen und ihre Leistung durch ein bei einer Schweizer Bank zu stellendes Akkreditiv zu erbringen. Für den Verkäufer war Erfüllungsort allerdings Hendaye, da der Käufer dort durch seinen Spediteur den gekauften Kaffee zu übernehmen hatte. Dies ist indessen auf den rein zufälligen Umstand zurückzuführen, daß der Kaffee angeblich dort lagerte und hat daher, entgegen der Regell, keine entscheidende Bedeutung für die Frage der Rechtsanwendung. Maßgebend ist vielmehr, daß die Beschaffung des Existenznachweises und der Auslieferungsdokumente durch den Beklagten, von der die Übergabe der Ware abhängig war, ebenfalls in der Schweiz vor sich gehen sollte. Der Exiztenznachweis hatte der Beklagte gegenüber der Firma D. in Basel zu erbringen und die Auslieferungsdokumente für die Ware der schweizerischen Akkreditivbank zu übergeben. In ihrer Gesamtheit betrachtet, lassen daher die Umstände zweifellos das schweizerische Recht als dasjenige der engsten räumlichen Verbundenheit erscheinen.

Zur Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts kommt man aber auch, wenn man ... das gesamte Rechtsverhältnis dem Rechte des Schuldortes der charakteristischen Leistung unterstellen will; denn wie schon bereits ausgeführt wurde, befindet sich dieser am Geschäftssitz des Beklagten in der Schweiz.

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Die grundsätzliche Frage nach der Methode der Bestimmung des anwendbaren Rechts kann daher auch in diesem Zusammenhang unentschieden bleiben.

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A project of CENTRAL, University of Cologne.