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BGH, Urteil vom 24.09.2002, KZR 10/01, GRUR 2004, 353 et seq.

Title
BGH, Urteil vom 24.09.2002, KZR 10/01, GRUR 2004, 353 et seq.
Content

353
Salvatorische Klausel als Regelung der Darlegungs- und Beweislast
 

BGB § 139 

Die weit verbreitete, in der Regel standardmäßig verwendete salvatorische Klausel, nach der ein nichtiges Rechtsgeschäft auch ohne die nichtige Klausel wirksam sein soll, entbindet nicht von der  nach § 139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes  verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Bedeutsam ist sie lediglich für die von §  139 BGB abweichende Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast; diese trifft denjenigen, der  entgegen der Erhaltensklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält (Aufgabe von BGH, GRUR 1994, 463 = NJW 1994, 1651 = WuW/E 2909, 2913 - Pronuptia II). 

BGH, Urteil vom 24. 9. 2002 - KZR 10/01 (OLG Düsseldorf) Tennishallenpacht 

Sachverhalt: 

Die Kl. sind Eigentümer einer Tennis- und Badmintonhalle in O., welche sie bis Ende 1994 an eine GmbH verpachtet hatten, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ihre Ehefrauen sind. Zum 1. 1. 1995 pachtete der Bekl. die Halle für zehn Jahre an. Er übernahm in dem „Mietvertrag” unter anderem die Verpflichtung, die Sportanlage an allen Wochentagen von 8 Uhr bis 23.30 Uhr zu betreiben, detaillierte Geschäftsaufzeichnungen unter Hinzuziehung eines Steuerberaters zu fertigen und den Kl. periodisch betriebswirtschaftliche Auswertungen, Summensaldenlisten und Bilanzen vorzulegen. Außer dem „Mietzins”, dessen jährliche Anhebung bereits im Vertrag geregelt war, hatte der Bekl. bestimmte Betriebskosten zu tragen. Ferner ist in § 7 des Vertrags bestimmt: 

§ 7. Mieter ist bekannt, dass Vermieter weitere Sportanlagen besitzt und diese teilweise selbst betreibt, teilweise durch eine Betriebsgesellschaft betreiben lässt. Mieter sichert zu, zum gemeinsamen Nutzen bei der Vermarktung der Sportanlagen eng mit Vermieter zusammenzuarbeiten. Um sich zum Kunden hin geschlossen zu präsentieren, ergeben sich folgende Notwendigkeiten: 

1.

Mieter wird unter dem Logo O. arbeiten. Briefbögen und Werbeunterlagen wird Vermieter dem Mieter zu Selbstkosten zur Verfügung stellen. 

2.

Die Kosten gemeinschaftlicher Werbungen … werden im Verhältnis der Nutzflächen der unter dem Logo O. betriebenen Sportanlagen aufgeteilt.

3.

Mieter wird die von Vermieter vor einem jeden Saisonbeginn vorgegebenen Abonnement- und Einzelstundenpreise übernehmen… Ohne schriftliche Zusicherung des Vermieters ist es Mieter untersagt, Rabatte an Abonnenten zu gewähren… 

5.

Im Rahmen der gedeihlichen Zusammenarbeit sind Nachfrageüberhänge sofort dem Vermieter zu benennen. Vermieter sichert zu, gleichermaßen zu handeln und die unter dem Logo O. auftretenden Betriebsgesellschaften entsprechend gleich lautend zu verpflichten … 

 

 

§ 21 enthält folgende „Salvatorische Klausel”: 

§ 21. 

1.

Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrags unwirksam oder nichtig sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. 

2.

Die Parteien verpflichten sich, unwirksame oder nichtige Klauseln durch rechtswirksame zu ersetzen, die dem wirtschaftlich Gewollten am nächsten kommen. Das gleiche gilt, falls der Vertrag eine ergänzungsbedürftige Lücke enthalten sollte. 

 
 
 

Die in diesem Vertrag genannten anderen O.-Tennishallen befinden sich ebenfalls in O. Betreiberinnen sind zwei Gesellschaften, an denen die Kl. und ihre Ehefrauen beteiligt sind.

Die Kl. haben den Vertrag im Februar 1998 fristlos gekündigt, nachdem der Bekl. sowohl mit den „Mietzinsen” als auch mit den Betriebskosten in Rückstand geraten war. 

Mit der Klage verlangen sie von dem Bekl. Zahlung der ausstehenden Beträge von insgesamt 67919,78 DM. Dieser hat hilfsweise mit einem Schadenersatzanspruch in Höhe von 120000 DM wegen angeblicher Täuschung über die Rentabilität der Anlage die Aufrechnung erklärt. 

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme entsprochen. Die Berufung des Bekl. hat der Kartellsenat des BerGer., an den die Sache im zweiten Rechtszug abgegeben worden ist, zurückgewiesen. Die Revision war begründet und führte zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer. 

Gründe: 

Die Auffassung des BerGer., dass der „Mietvertrag” der Parteien trotz der von ihm zutreffend als nichtig angesehenen Preisbindungsklausel in § 7 Nr. 3 mit Rücksicht auf die „Salvatorische Klausel” in § 21 des Vertrags wirksam ist, liegt zwar auf der Linie des Senatsurteils vom 8. 2. 1994 (GRUR 1994, 463 = NJW 1994, 1651 = WuW/E 2909, 2913 - Pronuptia II); an dieser Rechtsprechung hält der Senat indessen nicht fest. Bei Schaffung des § 139 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst von der ganz herrschenden Auffassung im Gemeinen Recht abgewandt, nach der die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts sich nicht auf die übrigen Teile desselben erstrecken sollte (vgl. Dernburg, Die Allgemeinen Lehren des bürgerlichen Rechts, 1902, § 119 I, S. 355; Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 13. Aufl., Bd. 1, § 189 IV 1, S. 615 Fußn. 15). Während der Verfasser des Vorentwurfs zum Allgemeinen Teil des BGB, Gebhard, in diesen Fällen eher zur Annahme einer Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts neigte (vgl. Schubert, Vorentwurf zum AT, Bd. 2, S. 214f.), wollte die I. Kommission dies nur dann gelten lassen, „sofern nicht erhellt, dass es (scil. das Rechtsgeschäft) auch ohne die ungültige Bestimmung gewollt sein würde” (Motive bei Mugdan, I, S. 475). Da „die Verbindung für die innere Zusammengehörigkeit” spreche, im Einzelfall aber anderes gewollt sein könne, hat der Gesetzgeber Veranlassung gesehen, durch den jetzigen § 139 BGB „die Beweislage” zu regeln (Motive, S. 475). 

Die weit verbreiteten, in der Regel standardmäßig verwendeten salvatorischen Erhaltens- und Ersetzungsklauseln besagen danach - entgegen der Ansicht des BerGer. - nicht, dass die von dem Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar erfassten Teile des Geschäfts unter allen Umständen - begrenzt allein durch den ordre public - als wirksam behandelt werden sollen. Sie enthalten vielmehr nur eine Bestimmung über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der bei § 139 BGB stets vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Während bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltensklausel die Vertragspartei, welche das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten will, darlegungs- und beweispflichtig ist, trifft die entsprechende Pflicht, wenn - wie im hier zu entscheidenden Fall - eine solche Klausel vereinbart ist, denjenigen, der den ganzen Vertrag verwerfen will. Nur bei diesem Verständnis salvatorischer Vertragsklauseln erhält der Gesichtspunkt die ihm zukommende Beachtung, dass es auf die Bedeutung der nichtigen Bestimmung für den ganzen Vertrag ankommt, ob dieser auch ohne dieselbe noch eine sinnvolle und ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen enthält und deswegen anzunehmen ist, er solle nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch ohne die nichtige Bestimmung wirksam sein. 

Diese Beurteilung salvatorischer Erhaltensklauseln entspricht nicht nur der Rechtsprechung anderer Zivilsenate des BGH (NJW 1996, 773 = LM H. 2/1996 § 139 BGB Nr. 83; NJW 1997, 933 = LM H. 5/1997 § 139 BGB Nr. 83; NJW-RR 1997, 684 = LM H. 6/1997 § 139 BGB Nr. 86; ferner OLG Stuttgart, ZIP 1989, 60 [63], mit Nichtannahmebeschluss des Senats v. 10. 10. 1989 - KZR 26/88), sie wird auch ganz überwiegend vom Schrifttum vertreten (grundlegend Flume, Das Rechtsgeschäft, § 32, S. 575; Ulmer, in: Festschr. f. Steindorff, S. 799 [804f.]; Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 139 Rdnr. 5; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 139 Rdnr. 36; Erman/Palm, BGB, 9. Aufl., § 139 Rdnr. 10; zweifelnd nur Staudinger/Roth, BGB, 1996, § 139 Rdnr. 22). Durchgreifende Gründe, für den Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hiervon Ausnahmen zuzulassen, bestehen nicht. 

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Zu Gunsten des Bekl. konnte lediglich als revisionsrechtlich richtig unterstellt werden, dass der „Mietvertrag”, aus dem die Kl. ihre Ansprüche herleiten, ohne die nichtige Klausel des § 7 nicht geschlossen worden wäre. Ob diese Behauptung zutrifft, hat das OLG in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Referring Principles
A project of CENTRAL, University of Cologne.