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BGE 59 I, 177

Title
BGE 59 I, 177
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Content
177

Auszug aus dem Urteil vom 7. Oktober 1933 i. S. Tobler gegen Justizkommission des Kantons Schwyz

Schiedsgerichtsklausel: Rechtsnatur; die Ungültigkeit des Hauptvertrages schließt nicht unmittelbar auch die Ungültigkeit der in ihr aufgenommenen Schiedsklausel in sich; die Klausel, daß Streitigkeiten aus dem Hauptvertrag schiedsgerichtlich ausgetragen werden sollen, umfaßt im Zweifel auch die Streitigkeiten über die Gültigkeit des Hauptvertrags und die Einrede der Simulation.

Aus dem Tatbestand:

Der Rekurrent Tobler hatte durch Vertrag vom 13. April 1926 dem Rekursbeklagten Blaser in Schwyz seine Erfindungspatente abgetreten. Der Vertrag enthielt die Klausel: «Zur Behebung allfälliger aus diesem Vertrage entstehender Differenzen unterwerfen sich die Kontrahenten dem Schiedssprache eines Schiedsrichters, der im beidseitigen Einverständnis gewählt wird, und zwar wird der jeweilige Kantonsgerichtspräsident bestimmt. Als Gerichtsstand wird ausdrücklich Schwyz bestimmt und haben schiedsrichterliche Handlungen in Schwyz stattzufinden.»

Am 11. Mai 1931 belangte Tobler die Rekursbeklagten vor dem Bezirksgericht Schwyz auf Anerkennung seines 178Eigentums an den Patenten mit Folgen. Das Bezirksgericht Schwyz trat aber unter Berufung auf die Schiedsgerichtsklausel wegen Unzuständigkeit nicht ein. Es wurde darin von der Justizkommission des Kantons Schwyz geschützt.

Den dagegen eingereichten staatsrechtlichen Rekurs hat das Bundesgericht abgewiesen, u. a. mit der

Begründung:

Im angefochtenen Entscheide hat die Justizkommission keineswegs ausgesprochen, daß über die von einer Partei bestrittene Zuständigkeit des vertraglichen Schiedsrichters dieser selbst (und nicht der staatliche Richter) zu befinden habe. Ebensowenig, daß die fragliche Schiedsklausel, weil mit dem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft, auf das sie sich bezieht, äußerlich zu einer Einheit verbunden (in derselben Urkunde enthalten) dessen rechtliche Natur teile und deshalb auch der . Streit über ihre Verbindlichkeit (die Zuständigkeit des Schiedsrichters; soweit sie davon abhängt) als ein materiell- (privat-) rechtlicher und nicht als prozeßrechtlicher erscheine. Vielmehr ist einfach angenommen worden, daß die allgemeine Unterwerfung unter ein Schiedsgericht für die Behebung von «Differenzen» (Anständen) die aus einem bestimmten Rechtsgeschäfte entstehen könnten, wie sie hier von den Parteien vereinbart worden war, auch den Streit über das giftige Zustandekommen dieses Rechtsgeschäftes, bzw. das Vorhandensein von Willensmängeln umfasse, die es unverbindlich machen würden. Die Annahme einer solchen Ungültigkeit könne daher nicht die Unwirksamkeit auch der Schiedsklausel nach sich ziehen, sondern Bedeutung nur für die materielle Beurteilung der Klage durch den Schiedsrichter, die Folge, die dieser von ihm zu geben sei, haben. Daß dies der wahre Sinn des Entscheides ist, folgt außer aus dem damit bestätigten Bescheide der I. Instanz, des Bezirksgerichtes unzweideutig auch aus der Beschwerdeantwort der Justizkommission, die, weil mit den Erwägungen des angefochtenen 179Entscheides nicht in Widerspruch stehend, zu dessen Erläuterung mitherangezogen werden darf.

So verstanden ist aber der Entscheid auch in diesem Punkt nicht anfechtbar.

Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesgerichtes selbst ist die Schiedsklausel ein Vertrag nicht zivilrechtlichen, sondern prozeßrechtlichen Inhaltes (BGE 41 II 537 Erw. 2). Selbst wenn sie mit dem zivilrechtlichen Hauptvertrag, auf den sie sich bezieht, in, einer Urkunde zusammengefaßt ist und so äußerlich als Bestandteil des letzteren erscheint, stellt sie sich infolgedessen doch nicht bloß als eine Einzelbestimmung desselben, sondern als eine selbständige Abrede besonderer Art dar. Danach kann aber auch die Ungültigkeit des Hauptvertrages richtigerweise nicht ohne weiteres diejenige des Schiedsvertrages nach sich ziehen, sondern nur ,dann, wenn die Ungültigkeitsgründe den Haupt- und den Schiedsvertrag zugleich treffen (so z. B. wenn eine Partei die Vertragsurkunde im Zustande der Urteilsunfähigkeit unterzeichnet hat oder widerrechtlich zu deren Unterzeichnung gezwungen ist). Im vorliegenden Falle kann aber die Einwendung, der Vertrag vom 13. April 1926 sei nur ein Scheingeschäft, bloß den Hauptvertrag betreffen, und dasselbe trifft für die Einreden aus Art. 20, 21, 23/24 und 28 OR zu, indem auch sie nach der dafür gegebenen Begründung sich nur auf Willensmängel beziehen, welche dem Hauptgeschäfte (betreffend Patentabtretung) anhaften würden. Es ist ferner nicht willkürlich, wenn das Bezirksgericht Schwyz und mit ihm die Justizkommission angenommen habe, die Klausel «zur Behebung allfälliger Differenzen aus diesem Vertrage (vom 13. April 1926) unterwerfen sich die Kontrahenten dem Schiedsspruch . . .» umfasse inhaltlich auch den Streit über die Gültigkeit des Hauptvertrages.

Das Bundesgericht hat für die Prorogationsklausel (Vereinbarung der Zuständigkeit eines bestimmten staatlichen Richters an Stelle des sonst örtlich zuständigen)180 nach beiden Richtungen - Abhängigkeit der Gültigkeit der Klausel von derjenigen des Hauptvertrages und Geltung derselben auch für den Prozeß über die Rechtsbeständigkeit jenes Vertrages - bereits dieselbe Auffassung vertreten im Urteil vom 23. Juni 1933 in Sachen Brütsch gegen Krick, in einem Falle, der die Auslegung von Art. 2 Ziff. 2 des schweizerisch-deutschen Vollstreckungsabkommens betraf und wo es infolgedessen zu diesen Fragen mit freier Kognition Stellung zu nehmen hatte (BGE 59 I S. 223 ff). Ebenso schon früher in dem nicht veröffentlichten Urteile vom 27. Juni 1930 in Sachen Brönnimann gegen Pfister bei einem interkantonalen Gerichtsstandskonflikt aus Art. 59 BV, in dem ihm ebenfalls darüber die freie Kognition zustand. Was für die Prorogation zutrifft, muß aber auch für die mit einem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft verbundene Abrede gelten, wodurch für ;Streitigkeiten aus demselben allgemein. die schiedsgerichtliche Erledigung vorgesehen wird. Ein sachlicher Grund, die beiden Arten prozessualer Vereinbarungen insoweit verschieden zu behandeln, ist nicht ersichtlich (s. dazu auch KÖHLER, Gesammelte Beiträge zum Zivilprozeß S. 178-184).

Ist sogar der Streit über die Gültigkeit des Hauptrechtsgeschäftes als in die Zuständigkeit des Schiedsrichters fallend zu erachten, so muß dies aber noch vielmehr für die andere Einwendung der Dissimulation angenommen werden, wie sie hier vom Rehkurrenten erhoben wird, nämlich, daß sich unter der im Vertrage vom 13. April 1926 beurkundeten Abtretung der Patente zu vollem Eigentum in Wirklichkeit ein bloßes Treuhandverhältnis verborgen habe.

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