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BGH, MDR 1961, 49

Title
BGH, MDR 1961, 49
Content
49

VIII. Zivilsenat

58. BGB §§ 276, 535 (Verschulden bei VertrVerhandlungen). Wer bei Verhandlungen über den Abschluß eines Mietvertrages einen von ihm entworfenen Mustermietvertrag unklaren Inhalts vorlegt, dem Bewerber den Ausbau kriegszerstörter Gebäude auf dem zu vermietenden Grundstück vor Abschluß des Mietvertrages gestattet und ihm im Zusammenhang damit Verpflichtungen auferlegt, ist in der Regel verpflichtet, dem anderen die Aufwendungen zu ersetzen, die in der Erwartung gemacht sind, es werde zum Abschluß eines Mietvertrages entsprechend dem Mustermietvertrag kommen, wenn er das Zustandekommen des Mietvertrages aus sachfremden Erwägungen scheitern läßt.

BGH, Urt. v. 19.10.1960 —VIII ZR 133/59 (Frankfurt).

Aus den Gründen: (Die Klage sei auch auf Verschulden bei Vertragsverhandlungen gestützt.) In der Tat kann eine schuldhafte Verletzung von Pflichten aus Vertragsverhandlungen auch darin liegen, daß das Vertrauen einer Verhandlungspartei auf das demnächstige Zustandekommen eines längeren Vertragsverh. erweckt und die Partei zu Aufw. veranlaßt wird, die sie nicht gemacht hätte, wenn sie nicht mit dem Vertragsschl. gerechnet hätte (BGH LM BGB § 276 Nr. 3). (BGH aaO. habe einen solchen Fall angenommen, wenn eine Partei in der Kenntnis, daß die Gegenpartei zu Aufw. veranlaßt wird, den künftigen Abschl. eines Vertr. als gesichert hinstelle. Haftung aus Verschulden aus Vertragsverhandlungen komme danach hier in Frage.) Der Kl. behauptet nämlich, das bekl. Land habe ihm einen Mustermietvertr. vorgelegt. Im Revisionsrechtszuge wird davon auszugehen sein, daß der Kl. unter einem Mustermietvertr. einen Vertragsentw. verstehen durfte, der für den Abschl. eines künftigen Vertr. als Muster dienen solle, den das bekl. Land für die von ihm abzuschließenden Vertr. allg. verwende und den es auch beim Abschl. des mit dem Kl. vorgesehenen Vertrages zugrundlegen werde. (Nach der Behauptung des Kl. habe der vom bekl. Land entworfene Mietvertr. erhebl. Abweichungen vom Mustervertr. enthalten.) Wenn es in den Sicherstellungsscheinen heißt, alle Paragraphen des Mustermietvertr., der von dem Kl. eingesehen worden sei, seien schon jetzt bindend, so liegt die Annahme nicht fern, daß der Kl. geglaubt hat, der Abschl. eines Mietvertr. entspr. dem Wortlaut des Mustermietvertr. sei gesichert, andere Bed. werde das bekl. Land von ihm nicht fordern. Das OLG selbst bezeichnet die Formulierung des Sicherstellungsscheins als „teilweise recht vage" und „teilweise unglücklich". Damit scheint es die Möglichkeit von Mißverständnissen einräumen zu wollen. Schon die Verwendung derartig mißverständlicher Formularvertr. seitens einer Behörde könnte sich als ein Verschulden bei Vertragsverh. darstellen, weil der Staatsbürger, der mit einer — wenn auch nicht hoheitlich tätig werdenden — Behörde verhandelt, mit Recht darauf vertraut, daß die Behörde nicht einseitig in ihrem Interesse tätig wird, sondern als die rechtlich Erfahrenere sich bemüht, besonders Formularvertr. eindeutig und klar zu fassen, so daß Mißverständnisse auch bei einem weniger erfahrenen Vertragspartner vermieden werden. Das Verhältnis des Kl. zum bekl. Lande ist dadurch gekennzeichnet, daß ihm gestattet wurde, mit dem vorgesehenen Aufbau des kriegszerstörten Gebäudes sofort zu beginnen. Das hebt die Verhandlungen über bloße, keine der Parteien verpflichtende Besprechungen hinaus. Zwischen den Parteien herrschte kein vertragsloser Zustand mehr. Der Kl. hatte auf Grund der Sicherstellungsscheine seinerseits Verpflichtungen übernommen, insbes. die Haftung für alle noch an dem Gebäude entstehenden Schäden. Das bekl. Land mußte erkennen, daß der Kl. Aufw. treffen werde, die er nicht machen würde, wenn er nicht mit dem Abschl. eines Mietvertr. rechnete. Alle diese Umstände konnten für das bekl. Land die Verpfl. begründen, sein Verhalten so einzurichten, daß der Kl. nicht unbillig geschädigt werde, und deshalb Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund abzubrechen. Diese Verpfl. könnte das bekl. Land, selbst wenn der Entw. des Mietvertr. nicht wesentl. von dem Mustermietvertr. abgewichen wäre, dadurch verletzt haben, daß es die Abänderungswünsche des Kl. zum Anlaß genommen hätte, den Abschl. des Mietvertr. aus sachfremden Erwägungen zum Scheitern zu bringen. Daß die Sicherstellungsscheine Bindungen begründeten, hat ersichtl. das bekl. Land selbst angenommen. (Wird ausgeführt.) Das alles wird das OLG bei der erneuten Verh. und Entsch. würdigen müssen, und zwar auch unter dem Blickwinkel, ob ein Nahelegen der Genehmigungsversagung etwa einen Verstoß gegen die Treuepflichten enthält, die sich aus dem bis dahin bereits zustande gekommenen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ergaben.

Zu Unrecht will auch das OLG von einer Heranziehung des Mustermietvertr. deshalb absehen, weil der genaue Text nicht feststehe. Daß ein Mustermietvertr., wie ihn der Kl. vorgelegt hat, mindestens zeitweise von der Liegenschaftsstelle verwandt worden ist, hat das bekl. Land nicht bestritten. Das Vertrauen, das der Kl. auf den Abschl. des Vertr. setzen durfte, konnte dem bekl. Land nach Treu und Glauben die Verpfl. auferlegen, auf die Interessen des Kl. Rücksicht zu nehmen. Die Beamten des Landes hätten den Kl. darüber aufklären müssen, daß er, obwohl ihm ein 50 Mustermietvertr. vorgelegt worden war, nicht damit rechnen könne, daß der Vertr. zu diesen Bed. abgeschlossen werde, und daß das bekl. Land über eine Vergebung der Grundstücke nach freiem Belieben entscheiden werde (vgl. OLG Karlsruhe HRR 1939, 1239). Allerdings war das bekl. Land zum Abschl. eines Vertr. entspr. dem Mustermietvertr. nicht verpflichtet. Es mag auch sein, daß das Vertragsangebot des bekl. Landes für den Kl. keine unbillige Härte enthalten hat. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob das Land durch sein vorhergehendes Verhalten in dem Kl. eine unzutr. Vorstellung erweckt hat und damit die durch die Verhandlungen begründeten vorvertragl. Treueverpflichtungen schuldhaft verletzt hat. Darin liegt das Wesen des Verschuldens bei Vertragsverh.

(Zu Unrecht berufe sich das bekl. Land darauf, Reg-Insp. A sei nicht berechtigt gewesen, für das Land Verpflichtungen zu übernehmen. Auch der Leiter des Finanzamtes habe mit dem Kl. verhandelt und dabei die Verwendung von Mustermietverträgen und die Aushändigung der Sicherstellungsscheine gebilligt.) Diese Urkunden sind also mit Wissen und Willen des Leiters der Liegenschaftsstelle, mögen sie auch vom Zeugen A verfaßt worden sein, zu Verhandlungsgrundlagen gemacht worden. Wenn das OLG glaubt, das bekl. Land sei durch die Ausstellung der Sicherstellungscheine nicht gebunden, so hat es außer acht gelassen, daß die zum Abschl. von Vertr. zuständigen gesetzl. Vertr. einen anderen Beamten wirksam ermächtigen konnten, für sie Erkl. abzugeben (RGZ 162, 129, 147, 148). Dieser andere Beamte ist dann Erfüllungsgehilfe, für den auch im Rahmen des Verschuldens bei Vertragsschl. der Geschäftsherr haftet. Ebenso kann eine von einem unzust. Beamten abgegebene Erkl. von dem zust. Beamten genehmigt werden (RGZ 162, 129, 151).

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