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Berger, Vertragsstrafenklauseln im englischen Recht - Die Cavendish/ParkingEye-Entscheidung des englischen Supreme Court, RIW 2016, at 321 et seq.

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Berger, Vertragsstrafenklauseln im englischen Recht - Die Cavendish/ParkingEye-Entscheidung des englischen Supreme Court, RIW 2016, at 321 et seq.
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Vertragsstrafenklauseln im englischen Recht


Die Cavendish/ParkingEye-Entscheidung des englischen Supreme Court



S. 327

V. Fazit


Durch die Cavendish-Entscheidung des Supreme Court wird die bisherige, über 100 Jahre alte englische Rechtsprechung zu Vertragsstrafenklauseln nicht aufgegeben. Jeder, der auf einen Abschied von der bisherigen Doktrin zu Vertragsstrafenklauseln gehofft hatte, wird folglich enttäuscht. Dennoch erweist sich das Urteil fur die Penalty-Doktrin als ,,Pyrrhussieg".1 Dies gilt zum einen deshalb, weil die Parteien weiterhin die Rechtsprechung zu Vertragsstrafenklauseln dadurch umgehen können, dass sie die Zahlungspflicht nicht als vertragliche Alternative zum Schadensersatz wegen einer Vertragspflichtverletzung ("breach"), sondern als bedingte Primärpflicht formulieren. Vor allem aber wird die rechtliche Bewertung von Vertragsstrafenklauseln der starren, die Unwirksamkeit solcher Klauseln begünstigenden Dichotomie von Strafe und Kompensation entzogen, in der sie seit der Dunlop-Entscheidung des House of Lords aus dem Jahr 1914 gefangen war. Der englische Supreme Court erkennt an, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen es ein wirtschaftliches Interesse einer Partei jenseits der Schadenskompensation rechtfertigt, der anderen Partei eine zusätzliche finanzielle Verpflichtung fur den Fall der Nichterfiillung ihrer Vertragspflicht aufzuerlegen, ohne dass die Klausel deswegen automatisch unwirksam sein müsste. Als Vertragsstrafe ist die Klausel daher nur dann zu qualifizieren, wenn

( 1) entweder kein weiter gehendes wirtschaftliches Interesse des Klauselverwenders an der Auferlegung der Zahlungspflicht erkennbar ist oder

(2) bei Vorliegen eines solchen Interesses der zu zahlende Betrag völlig außerhalb jeden Verhältnisses ("extravagant, exorbitant
or unconscionable") zu diesem Interesse ist.

Für den zuletzt genannten Fall besteht allerdings bei B2B-Verträgen, die von fachkundig beratenen Parteien mit vergleichbarer Verhandlungsstärke abgeschlossen wurden, eine "starke anfängliche Vermutung" dafur, dass die Parteien selbst am besten beurteilen können, welcher Betrag für den Fall einer Vertragsverletzung in einer derartigen Klausel in legitimer Weise vereinbart werden kann. Das Gericht gesteht solchen Parteien eine Beurteilungsprärogative im Hinblick auf die zulässige Höhe der Zahlung zu.

Ist die Klausel danach trotz der Erleichterungen durch die Cavendish-Entscheidung des Supreme Court als Vertragsstrafe zu qualifizieren, bleibt es aber dabei, dass sie in vollem Umfang unwirksam ist. Eine teilweise Aufrechterhaltung der Klausel kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Abänderung durch das Gericht. Dies würde dem althergebrachten Grundsatz des englischen Vertragsrechts2 widersprechen, wonach ein Gericht den Vertrag nicht für die Parteien neu schreiben kann.3 Insoweit hat sich auch in der Cavendish-Entscheidung der traditionelle und konservative vertragsrechtliche Ansatz der bisherigen englischen Rechtsprechung durchgesetzt.

1Day, J.Bus.L 2016, 115, 127.
2Chitty on Contracts (Fn. 8), Rdnr. 16-199: " ... the courts will not make a new contract for the parties, whether by rewriting the existing contract, or by basically altering its nature"; vgl. auch Co-operative Wholesale Society Ltd v National ~stminster Bank plc [1995]1 EGLR 97, 99; Shaw v Hutton-Shaw, [2006] EWCA Civ 1235.
3Cavendish Square Holding (Fn. 5), Rdnr. 87; vgl. auch Clydebank Engineering & Shipbuilding Co Ltd v Yzquierdo y Castaneda, [1 905] AC 6, 9, 10; Modern Engineering (Bristol) Ltd v Gilbert-Ash (Northern) Ltd, [1974] AC 689, 698, 703 und 723-724; Scandinavian Trading Tanker Co AB v Flota Petrolera Ecuatoriana (The Scaptrade), [1983] 2 AC 694, 702;AMEV-UDCFinanceLtdvAustin, ( 1986) 162 CLR 170, 191.

Referring Principles

Catchwords:

penalty, clause
A project of CENTRAL, University of Cologne.