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Bälz, Kilian / Jourabchi-Eisenhut, Tannaz, Vertragsgestaltung im deutsch-iranischen Wirtschaftsverkehr, RIW 2015 at page 473 et seq.

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Bälz, Kilian / Jourabchi-Eisenhut, Tannaz, Vertragsgestaltung im deutsch-iranischen Wirtschaftsverkehr, RIW 2015 at page 473 et seq.
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IV. Force Majeure
Fragen der höheren Gewalt gehören zu den klassischen Themen des internationalen Wirtschaftsverkehrs und haben gerade in Bezug zum Iran eine lange Tradition.20

Obwohl sich im iranischen Zivilgesetzbuch - wie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch – die Doktrin der höheren Gewalt nirgends in kodifizierter Form wiederfindet, enthält es einige Vorschriften, die sich mit den Fragen eines unverschuldeten Leistungshindernisses und den betreffenden Rechtsfolgen befassen. So muss die ihre vertraglichen Pflichten Partei gemäß Art. 227 ZGB keinen Schadensersatz leisten, wenn feststeht, dass die Nichtleistung auf einem außerhalb ihres Verantwortungsbereiches liegenden Grundes beruht. Daneben bestimmt Art. 229 ZGB, dass eine Partei, der es auf Grund eines ihrerseits nicht vermeidbaren Umstandes unmöglich wird, eine Pflicht oder Verpflichtung zu erfüllen,weder für Verluste noch für Schäden haftet.


Höhere Gewalt setzt demgemß voraus:21

(1) Es muss sich um ein unabwendbares Ereignis handeln. Für die zur Leistung verpflichtete Partei muss es unmöglich sein, den Eintritt des Ereignisses zu verhindern.

(2) Das Ereignis muss unvorhersehbar sein. Nach herrschender Ansicht liegt ein Fall von Unvorhersehbarkeit dann vor, wenn feststeht, dass das Ereignis „unerwartet“ und auch „nicht mit vernünftiger Sorgfalt und Bemühung vorhersehbar“ gewesen ist.

(3) Das Ereignis muss sich seitens des nicht leistenden Schuldners als unkontrollierbar darstellen und darf weder auf seinem Tun noch seinem Unterlassen beruhen.

Problematisch waren in der Vergangenheit insbesondere Leistungshindernisse auf Grund von Sanktionen. Hier stellte sich zum einen die Frage, inwieweit die betreffenden Maßnahmen vorhersehbar waren. Zum anderen stellte sich die iranische Seite mitunter auf den Standpunkt, das Risiko der Sanktionierung durch das Herkunftsland des Vertragspartners sei dem betreffenden Vertragspartner zugewiesen und der Iran würde die Maßnahmen nicht anerkennen. Wichtig ist hier, dass die Definition der höheren Gewalt der Parteivereinbarung zugänglich ist.22
Das heißt, dass etwa das Risiko einer erneuten Sanktionierung (etwa, wenn bestimmte Bedingungen von der iranischen Seite nicht erfüllt werden sollten) vertraglich geregelt werden kann (und auch sollte). Rechtsfolge der höheren Gewalt ist die Aussetzung bzw. das Erlöschen der betreffenden Schuld, abhängig davon, ob deren Erfüllung nur vorbergehend oder dauerhaft unmöglich geworden ist.23
Die Einrede des Schuldner ist zunächst lediglich aufschiebend. Dauert der Umstand eine lange Zeit an oder kann die Erfüllung nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, kann der Schuldner jedoch bei Vorliegen von höherer Gewalt eine rechtsvernichtende Einwendung erheben. In diesem Fall gilt der Vertrag als aufgehoben.

20Z.B. BGHZ 83, 197. Im Fall war die Montage einer Tierkörperverwertungsanlage für den Schlachthof Mahabad auf Grund revolutionärer Unruhen unmöglich geworden. Allgemein zu Fragen der Force Majeure im internationalen Wirtschaftsverkehr und der Gestaltung entsprechender Klauseln Bälz, in : FS Wegen 2015, S. 335ff.
21Katouzian, Ghavaadeh Omoumieh Gharaadaadha IV [Allgemeine Prinzipien des Vertragsrechts IV], Teheran 1997, Rndr. 788 ff.
22Katouzian (Fn.21)Rdnr. 800.
23Katouzian(Fn. 21), Rdnr. 799.

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