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Sonnenberger, Hans Jürgen, Treu und Glauben - ein supranationaler Grundsatz?, in: Festschrift Odersky, Berlin 1996, at 703 et seq.

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Sonnenberger, Hans Jürgen, Treu und Glauben - ein supranationaler Grundsatz?, in: Festschrift Odersky, Berlin 1996, at 703 et seq.
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Treu und Glauben ein supranationaler Grundsatz?

Deutsch-französische Schwierigkeiten der Annäherung*

HANS JÜRGEN SONNENBERGER

Als Präsident des Bundesgerichtshofs hat sich Walter Odersky gemeinsam mit dem Premier Président der Cour de Cassation Pierre Drai wiederholt für den deutsch-französischen Rechtsdialog eingesetzt. Dieser Dialog ist nicht nur im beiderseitigen Interesse nützlich, sondern Kernelement im Prozeß der europäischen Rechtsentwicklung. Eine Walter Odersky gewidmete Festschrift ist deshalb willkommener Anlaß, ein grundlegendes Thema deutsch-französischer Zivilrechtsvergleichung aufzugreifen: Die Rolle von Treu und Glauben nach § 242 BGB und bonne foi nach Art. 1134 Abs. 3 CC , deren Vergleich in der Vergangenheit oft zu Fragen Anlaß gegeben hat. Man gerät sehr schnell in ein Dickicht und stellt fest, daß selbst bei einem Thema, das beide Rechtsordnungen auf die gleiche Quelle zurückführen, eine Annäherung schwierig sein kann. Angesichts der verbreiteten Euphorie europäischer Rechtsangleichung stimmt das nachdenklich. Dennoch sollen die folgen-

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den Beobachtungen nicht entmutigen. Sie sollen eher dazu beitragen, Romantik durch Realismus zu ersetzen und ein Hinweis sein, daß es mit fortschreitender Europäisierung des Rechts, die längst das Privatrecht ergriffen hat, immer dringlicher wird, in diesem Prozeß der Rechtsvergleichung nicht nur verbal, sondern tatsächlich den ihr dabei zukommenden Platz zu geben.

I. Einführung

Im Urteil des 8. Zivilsenats des BGH vom 14. 10. 19921 heißt es lapidar, daß der Grundsatz von Treu und Glauben "als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen immanent" sei. Das war offensichtlich nicht nur im allgemeinen gedacht, denn der BGH leitet daraus wie selbstverständlich ab, daß das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an der allgemeinen Geltung von Treu und Glauben teilnimmt. Man kann das nur so verstehen, daß die Inhalte und Funktionen von Treu und Glauben i. S. von § 242 BGB allen zivilisierten Rechtsordnungen immanent sind. Es geht hier nicht darum, das Ergebnis des Urteils des BGH zu einer sehr schwierigen Frage in der Folge der deutschen Einigung in Zweifel zu stellen. Es interessiert ausschließlich der gedankliche Ansatz, der das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sozusagen als Bestandteil eines natürlichen, von Treu und Glauben geprägten Rechtsempfindens ansieht, das sich auch in den Bereichen des § 242 BGB spiegelt.

Eine solche Sichtweise ist nicht ungefährlich, denn sie kann dahin führen, daß Konzepte des deutschen Rechts unangemessen verallgemeinert werden. Der vom BGH behandelte Fortfall der Geschäftsgrundlage ist dafür ein guter Beweis, denn im französischen Zivilrecht gilt bis heute das Gegenteil. Nach wie vor ist das Urteil der Cour de Cassation vom 6. 3. 18762 im Fall des Canal de Craponne maßgeblich: pacta sunt servanda, mögen sich die Verhältnisse seit Vertragsabschluß auch grundlegend verändert haben3 . Anscheinend ist Treu und Glauben in seinen deutschen Ausprägungen entgegen der Meinung des BGH doch kein

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allen zivilisierten Rechtsordnungen immanenter Grundsatz. Aber wie verhält es sich dann? Gerade der deutsch-französische Vergleich ist von Bedeutung, da diese beiden Privatrechtssysteme die nachhaltigsten Wirkungen auf die anderen europäischen Privatrechtsordnungen hatten.

In beiden Rechten ist man sich des gemeinsamen Ursprungs von Treu und Glauben i. S. des § 242 BGB und Bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC in der bona fides des römischen Rechts bewußt, ferner, daß das Prinzip ursprünglich nur der Begründung und dann auch der Präzisierung von Verträgen bzw aus diesen sich ergebenden Klagerechten diente, die nicht von Rechts wegen festgelegt waren4 . Gemeinsames Gedankengut war es auch, daß die bona fides in der weiteren Entwicklung als Instrument der Moralisierung schuldrechtlicher Beziehungen auf alle Verträge bzw sogar alle Arten von Schuldverhältnissen angewendet wurde5 . Art. 1134 Abs. 3 CC und § 242 BGB sind deshalb hin sichtlich der Funktion von bonne foi und Treu und Glauben nahezu identisch formuliert: Ist ein Schuldverhältnis begründet, so ist es bona fide auszuführen. Das schließt in beiden Rechtsordnungen ein, daß die Einzelheiten der Verpflichtungen ebenfalls von der bona fides beherrscht werden6 . Beide Rechtsordnungen beschränken sich auf diese Funktionsbeschreibung. Sie verzichten auf Angaben, was Bonne foi und Treu und Glauben meinen.

Außerordentlich interessant ist, was sich im französischen und deutschen Recht aus der im Grund gleichen Ausgangslage entwickelt hat, und das gilt sowohl für die Funktion als auch für die Definition der bona fides.

Im französischen Recht stand die Funktion der bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC völlig im Schatten von Abs. 17 , der den Grundsatz pacta sunt servanda formuliert. Daraus ergab sich, daß die klaren und eindeutigen Vereinbarungen der Parteien und die daran vom Gesetz geknüpften Folgen nicht nach Art. 1134 Abs. 3 CC durch Bonne foi relativiert, erweitert oder verändert werden können. Art. 1134 Abs. 3 CC wurde auf eine Auslegungsfunktion reduziert8 und damit zum concept mort9 , denn die interprétation ist in Art. 1156 ff CC näher geregelt. Zu-

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gleich ergab sich, daß Art. 1134 Abs. 3 CC außerhalb des Vertragsrechts keine Funktion hatte.

Demgegenüber entfaltete im deutschen Recht die Rechtsprechung die Funktion von Treu und Glauben nach § 242 BGB über den Gesetzestext hinaus immer weiter als Regulativ für alle Arten rechtlicher Sonderbeziehungen sogar außerhalb des Privatrechts. Im Privatrecht wurden Treu und Glauben folglich zur Kontrolle10 und nachträglichen11 Korrektur der Vereinbarungen der Vertragspartner herangezogen. Sie bildeten die Grundlage für Nebenpflichten12 , die weder vertraglich noch gesetzlich festgelegt sind, ermöglichten die Ausgestaltung der Beziehungen der Partner in der Phase der Vertragsverhandlungen13 und nach Vertragsende14 und begrenzten jegliche Rechtsausübung15 . Schließlich wurde Treu und Glauben eine die Normen des objektiven Rechts ergänzende und korrigierende Funktion zuerkannt mit der Konsequenz, daß sie als allgemeines Prinzip ausgleichender Gerechtigkeit oberster Grundsatz des objektiven Rechts geworden sind16 . Auf diese weise konnten Treu und Glauben zugleich Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen in das bürgerliche Recht werden17 .

Es ist demnach nicht übertrieben, wenn man von einer geradezu gegenläufigen Entwicklung der Funktionen des Art. 1134 Abs. 3 CC und § 242 BGB ausgeht. Dies trifft jedenfalls bis etwa Ende der sechziger Jahre zu. In dieser Zeit begannen Lehre und Rechtsprechung in Frank reich Art. 1134 Abs. 3 CC stärker in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Mit einer gleichzeitigen Neuorientierung des Verständnisses des Vertrages, das den Grundsatz des Art. 1134 Abs. 1 CC mit der Pflicht der Partner zu loyaler Zusammenarbeit verknüpfte18 , stellte sich heraus, daß Abs. 3 nicht ein concept mort war, sondern über lange Zeit einen sommeil du juste geschlafen hatte19 , wie es kürzlich ein Autor bildhaft formulierte. Die bonne foi erhielt damit eine Funktion die sich Treu und Glauben nach § 242 BGB annähert. Das gilt freilich, wie noch darzustellen ist, nur ab dem Beginn der Zusammenarbeit der Partner und endet

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mit dieser. Es gilt auch nicht im gleichen Umfang, wie das bei Treu und Glauben im deutschen Recht geschieht, denn das würde erstens voraus setzen, daß Art. 1134 Abs. 3 CC nicht nur als Pflichten begründende Schuldvertragsnorm verstanden wird, und zweitens, daß beide Maßstäbe inhaltlich gleichartig sind. Schon hier darf festgestellt werden, daß fort dauernde Unterschiede zwischen § 242 BGB und Art. 1134 Abs. 3 CC kaum überraschen können. Wer aus deutscher Sicht an das ganze Thema herangeht, muß sich stets vor Augen halten, daß die Treu und Glauben nach § 242 BGB zugewiesenen Aufgaben so weit über die ursprüngliche gemeinsame Funktion der bona fides hinausreichen, daß die Bemerkung nicht übertrieben ist, der Wortlaut der Vorschrift sei "schlicht unmaßgeblich" geworden20 .

Ein Vergleich der Funktionen von bonne foi und Treu und Glauben i. S. der Art. 1134 Abs. 3 CC und § 242 BGB setzt voraus, daß es sich um den gleichen Maßstab handelt. Während sich die deutsche Dogmatik seit längerem um eine Bestimmung des Wertegehalts von Treu und Glauben bemüht, der im folgenden nur zusammengefaßt werden kann, sind die französischen Stellungnahmen zur bonne foi bis in neuere Zeit sehr zurückhaltend. Es kann hier außer acht bleiben, daß der Begriff traditionell doppeldeutig ist21 . Er meint sowohl Gutgläubigkeit als auch Gutwilligkeit. Da der gute Glaube Gegenstand der Rechtsscheinlehre und ihrer speziellen Ausformungen des gutgläubigen Erwerbs eines Rechts oder einer Rechtsposition ist22 , geht es bei der Bonne foi des Art. 1134 Abs. 3 CC nur um die Bedeutung i. S. der Gutwilligkeit. Daher ist es heute üblich, bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC als loyauté zu bezeichnen. Dieser Begriff blieb solange notion vide de tout contenu und notion sterile23 wie die Vorschrift als bloße Auslegungsregel und Wiederholung alles dessen galt, was der Interpret nach den Empfehlungen des Gesetzgebers beachten sollte. Sich mit dem Begriff der bonne foi näher zu befassen und ihn von benachbarten Begriffen abzugrenzen, wurde überhaupt erst mit der Entdeckung einer eigenständigen Funktion des Art. 1134 Abs. 3 CC interessant. Wenn bis heute manche Fragen offen sind, so muß berücksichtigt werden, daß die ganze Entwicklung jüngeren Datums ist, ferner, daß auch der Begriff Treu und Glauben des § 242 BGB trotz jahrzehntelanger Bemühungen kaum als ausdiskutiert bezeichnet werden kann.

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II. Die Begriffe Treu und Glauben und bonne foi

Sprachlich treten Treu und Glauben als ein gravitätischer altdeutschtümelnder Begriff auf, dessen Pathos der modernen Sprache fremd ist, mag er dem Juristen auch leicht über die Zunge gehen. Die Wortkombination verdeckt eher, was gemeint ist, und das ist wohl einer der Gründe, weshalb bis heute immer wieder Stimmen laut werden, die überhaupt eine Definierbarkeit bezweifeln. Hinter dem Begriffspathos werden dennoch Strukturen sichtbar. Der Begriff meint erstens das Gebot der Redlichkeit, daß man zu seinem Wort steht und in dieses gesetztes Vertrauen nicht enttäuscht oder mißbraucht, sondern sich so verhält, wie es den von sozialen und verhaltensethischen Geboten der betreffenden Verkehrskreise geprägten berechtigten Erwartungen des Partners entspricht24 . Zweitens beinhaltet er nach heute wohl allgemeiner Meinung das Gebot billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners entsprechend den Wertungen der von Rechtsgleichheit ausgehenden westlich-abendländischen Rechtskultur25 . Treu und Glauben binden folglich die rechtlichen Beziehungen zwischen Rechtssubjekten einerseits an die Verhaltensgebote, die notwendig sind, daß sich die Partner mit gegenseitigem Vertrauen gegenübertreten können, und andererseits an die Gebote, die dem Prinzip ausgleichender Gerechtigkeit Wirkung verleihen26 . Darüber hinaus wurden Treu und Glauben unter dem Etikett unzulässiger Rechtsausübung über das Schikaneverbot des § 226 BGB hinausgehend zur Grundlage für Begrenzungen privatrechtlicher Rechtspositionen, die sich nicht auf einen einheitlichen Nenner zurückführen lassen.

Demgegenüber stellt der Begriff der bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC die gegenseitige loyauté der Partner einer schuldrechtlichen Beziehung in den Vordergrund. Ethymologisch ist damit wie bei Treu und Glauben Redlichkeit gemeint, wobei allerdings zu beachten ist, daß sich zu dem Begriffskern weitere Bedeutungen gesellen. Soweit es um Redlichkeit geht, kann ebenso wie bei Treu und Glauben davon ausgegangen werden, daß bonne foi das Verhalten von Vertragspartnern den Anforderungen gegenseitigen Vertrauens unterwirft. Dieser Aspekt ist seit der Entdeckung der Kooperationsfunktion der Verträge noch verstärkt worden, denn nunmehr erscheint bonne foi als Inbegriff der Verhaltensgebote, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Vertrags-

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partner erfordert27 . Etwas altertümlich aber einprägsam wird das mit der Formel tous les soins d'un bon père de famille umschrieben. Damit wird das Verhalten der Vertragspartner an einen gesellschaftlichen Standard von Geboten gebunden28 , was aber nicht in einem formalistischen Sinn geschehen, sondern auf den konkreten Vertrag und den Zweck bezogen werden soll, den die Partner kooperativ verfolgen29 : Die Vertragspartner führen einen Vertrag de bonne foi aus, wenn sie gegenseitig ihr Verhalten an den Geboten orientieren, die ein bon père de famille in der konkreten Situation befolgen würde. Die insoweit gegebene Parallelität von Treu und Glauben und bonne foi läßt vergleichbare Ergebnisse im deutschen und französischen Recht erwarten.

Im Verständnis der bonne foi als Redlichkeit ist die zweite Komponente von Treu und Glauben, das Gebot billiger Achtung der Interessen des Vertragspartners, die den deutschen Begriff zum rahmenartigen Maßstab einer auf den konkreten Vertrag bezogenen ausgleichenden Gerechtigkeit macht, nicht unmittelbar enthalten. Sie ist allerdings auch nicht a priori auszuschließen, denn neben dem Begriffskern der Redlichkeit bedeutet loyauté auch Rechtschaffenheit, Anständigkeit und Gewissenhaftigkeit30 . Damit lassen sich durchaus materielle Wertvorstellungen ausgleichender Gerechtigkeit verbinden: Ein gewissenhafter Schuldner leistet so, wie es billigerweise, also nach équité, von ihm er wartet werden darf; ein anständiger Gläubiger verlangt nicht, was der équité widerspricht. Dennoch muß man hier vorsichtig sein. Der Gesetzgeber hat auf équité gesondert in Art. 1135 CC verwiesen, sie also wohl nicht als Element der bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC angesehen. Zwar werden beide Vorschriften häufig ohne weiteres nebeneinander genannt. Das geschieht aber keineswegs immer im Sinn einer Ausweitung des Begriffes bonne foi, sondern häufig wegen Abgrenzungsschwierigkeiten. Deshalb bleibt das Verhältnis der bonne foi zur équité oft eher in der Schwebe31 . Soweit dem Begriff équité näher nachgegan-

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gen wird, erlangt er als ein von der bonne foi durchaus zu unterscheidender Maßstab für ausgleichende Gerechtigkeit Gestalt32 und zwar nicht als Rahmen für objektive Regeln, sondern als Ausdruck dafür, was nach Gerechtigkeitsgefühl und Rechtsgewissen in der konkreten Situation angemessen und gerecht ist33 . Dabei geht es nicht um das Rechtsgefühl der Parteien oder einer irgendwie zu definierenden Öffentlichkeit, sondern des Richters, der in einem Streitfall zu entscheiden hat34 . Das alles erklärt, daß der équité auch in der modernen Dogmatik mit Skepsis begegnet wird. Ist sie überhaupt mehr als ein Leitmotiv für richterliche Urteilsfindung35 ? Jedenfalls ist sie anders als die bonne foi nach Art. 1134 Abs. 3 nach Art. 1135 CC nur als letzte Stütze berufen36 .

Was das Verhältnis der équité zur bonne foi betrifft, ist beim derzeitigen Entwicklungsstand nicht eindeutig, daß dieser Begriff die Doppelbedeutung erhält, die Treu und Glauben im deutschen Recht haben. Zwar könnte eine neuere Entscheidung der Cour de Cassation vom 3. 11. 199237 in diese Richtung deuten. Das Urteil betrifft jedoch einen sehr speziellen Sachverhalt und ist deshalb als Leitentscheidung wenig geeignet. Dennoch hat es im Schrifttum großes Echo gefunden und ist allein schon deshalb berichtenswert. Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Tankstellenvertrag in Gestalt eines contrat de distribution agréée. Da sich die Verhältnisse so entwickelt hatten, daß der Inhaber der Tankstelle auf der Grundlage des Vertrages keinen konkurrenzfähigen Verkaufspreis des Kraftstoffes mehr kalkulieren konnte, hielt die Cour de Cassation die Liefergesellschaft nach bonne foi für verpflichtet, den Lieferpreis neu zu verhandeln. Das Urteil sagt nicht, daß die Liefergesellschaft zur billigen Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners verpflichtet ist. Aber mit dem Redlichkeitsgebot als Gebot zu loyaler Zusammenarbeit allein läßt sich die Pflicht zu neuerlicher Preisverhandlung nicht erklären. Ob sich an das Urteil eine weitere Entwicklung anschließt, bleibt abzuwarten. Von namhafter Seite wird bezweifelt, ob bonne foi geeignet ist, Äquivalenzstörungen zu beseitigen38 . Das

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wäre aber wohl ebenso wie bei Treu und Glauben eine unausweichliche Konsequenz, wenn man ihr die équité zuschlägt.

Es fällt auf, daß die im deutschen Recht als unzulässige Rechtsausübung Treu und Glauben zugeordneten Verbote der Ausübung privat rechtlicher Positionen im französischen Recht nicht aus dem Standard der bonne foi hergeleitet werden. Sie sind vielmehr Gegenstand der Lehre vom abus de droit, die ihre Grundlagen in den Verboten dolosiver bzw schuldhafter Verletzung berechtigter Interessen eines anderen oder einem Verbot des détournement de la finalité sociale subjektiver Rechte hat39 . Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht festgelegt, obgleich eine gewisse Tendenz zur deliktsrechtlichen Verankerung des Mißbrauchsverbots im faute-Prinzip beobachtet werden kann40 . Dabei ist die Abgrenzung zur bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC nicht klar zu ziehen: Kann nicht die Ausübung einer sich aus einem Vertrag ergebenden Berechtigung gerade deshalb abus de droit sein, weil der betreffende Partner damit gegen seine Pflicht zu loyaler Kooperation verstößt?41

III. Die Funktion von bonne foi im Vergleich zu Treu und Glauben

1. Allgemeines

Das nicht eindeutige Verständnis der bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC hat wichtige Konsequenzen, die sowohl die Funktion der bonne foi als auch der équité nach Art. 1135 CC berühren.

Wenn man so weit geht, équité in den Begriff der bonne foi einzubeziehen, so verliert die Verweisung auf erstere in Art. 1135 CC ihre Bedeutung. Die Präzisierung der Pflichten als auch Nebenpflichten kann sowohl unter dem Aspekt der Redlichkeit als auch der ausgleichenden Gerechtigkeit aus Art. 1134 Abs. 3 CC hergeleitet werden, so daß diese Vorschrift sich sehr stark der vertragsergänzenden Funktion des § 242 BGB nähern würde.

Beschränkt man dagegen bonne foi auf Redlichkeit, so kann sich der Maßstab ausgleichender Gerechtigkeit nur nach Art. 1135 CC auf die Ausgestaltung eines Vertrages auswirken. Equité soll aber nach dieser Vorschrift lediglich einen rôle residuel42 haben und remède exceptionnel43

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bleiben. Will man mehr, so müßte Art. 1135 CC selbst anders verstanden werden. Manches Gerichtsurteil weckt einen solchen Eindruck. Der Kassationshof hat wiederholt Vertragsparteien ohne Zögern zusätzliche Pflichten auferlegt, wenn er das kraft équité für erforderlich hielt. Bis weilen scheint équité Grund und Inhalt zusätzlicher Pflichten gleichzeitig zu bestimmen und zwar derart, daß diese als Konsequenz einer Art règle générale erscheinen44 . Hier bleiben grundsätzliche Fragen offen: Wo liegen die Grenzen für solche Pflichten, wenn équité nicht nur über ihre Ausgestaltung, sondern auch darüber entscheidet, ob sie ohne Vereinbarung einem Partner aufzuerlegen sind45 Muß sich wegen des relativen und subjektiven Charakters46 der équité ihr Einsatz nicht auf Ergänzungen der vereinbarten Pflichten im Einzelfall beschränken, so daß jede Art von Regelbildung ausscheidet?47

Versteht man bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC ausschließlich als Redlichkeit, also unter Ausschaltung des équité-Gedankens, so wird verständlich, daß die Vorschrift anders als § 242 BGB nicht unter Berufung auf justice commutative von der Rechtsprechung herangezogen werden konnte, um Klauseln und insbesondere AGB-Klauseln einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen. Die Kontrolle anstößiger Klauseln mußte außerhalb der bonne foi angesiedelt und zwar durch den Gesetzgeber, der den Begriff der clauses abusives schuf48 . Nicht Redlichkeit, sondern die Mißbrauchslehre war richtungsweisend. Ferner liegt hier eine entscheidende Ursache, daß Art. 1134 Abs. 3 CC dem Richter keinerlei Handhabe bietet, Verträge unter Berufung auf bonne foi veränderten Verhältnissen anzupassen. Erst recht bietet ein an die Parteien sich richtendes Redlichkeitsgebot keinerlei Grundlage für richterliche Rechtsfortbildung.

Als weitere Konsequenz ergibt sich, daß nicht bereits ein Verstoß gegen bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC ausreicht, um unzulässige Rechtsausübung zu begründen. Ferner decken sich auch die Wirkungen festgestellter unzulässiger Rechtsausübung nicht mit denjenigen des

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Art. 1134 Abs. 3 CC. Während es in dieser Vorschrift um die Bestimmung der Pflichten der Vertragspartner geht, handelt es sich bei der Lehre vom abus de droit darum, die Auswirkungen eines abus durch Schadensersatz zu kompensieren oder sonst wie zu beheben, sei es daß die Rechtsausübung die bezweckte Wirkung nicht herbeiführt oder diese auf andere Weise verhindert wird. Dieses Thema wird hier, ob gleich es aus deutscher Sicht zu § 242 BGB gehört, nicht weiter verfolgt49 .

2. Zeitlicher Wirkungsraum der bonne foi

Art. 1134 Abs. 3 CC wurde als streng vertragsrechtliche Norm verstanden: Außerhalb eines Vertrages schulden sich die Rechtsgenossen keine Loyalität. Nur muß ein jeder vermeiden, daß er einem anderen durch seine faute oder durch Sachen, die in seiner Barde sind, Schaden zufügt. Tut er das nicht, so ist er nach responsabilité extracontractuelle haftbar. Dies galt auch bei Bestehen faktischer Sonderbeziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem. Ein vertragsähnliches Schuldverhältnis durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit einem spezifischen Pflichtenkanon der Verhandelnden gab es nicht. Heute ist diese Auffassung überholt. Zwar ist Haftungsgrundlage immer noch Art. 1382 CC, was damit zusammenhängt, daß es im Unterschied zu § 831 BGB keine Exkulpationsmöglichkeiten für den Geschäftsherrn gibt. Dagegen ist für die Präzisierung der situationsbedingten faute des Schädigers die vorvertragliche Sonderbeziehung der Verhandlungspartner zu beachten. Da sich in dieser Phase bereits die Kooperation zwischen ihnen entfaltet, ist anerkannt, daß bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC eine wichtige Antriebskraft bildet50 . Sieht man von den inzwischen erlassenen zahlreichen Sondervorschriften insbesondere des Verbraucherschutzes ab, so liegt hier der Grund für die von der Rechtsprechung entwickelten vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflichten51 . Diese für die unterschiedlichen Verhandlungslagen mit Blick auf den beabsichtigten Vertrag zu konkretisierenden Pflichten werden inzwischen unter dem Dach der bonne foi zusammengefaßt, die infolge ihres rahmenartigen

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Charakters weitere Entwicklungen ermöglicht. Art. 1134 Abs. 3 CC und der bonne foi kommt damit eine wichtige Funktion für die Ausbildung eines Schuldverhältnisses in contrahendo zu, so daß man von einer bedeutenden Neuorientierung dieser Vorschrift sprechen kann.

Dagegen endet der Anwendungsbereich des Art. 1134 Abs. 3 CC grundsätzlich mit Beendigung der schuldvertraglichen Beziehung. Nachvertragliche Pflichten werden aus bonne foi nicht hergeleitet. Entweder werden sie unmittelbar im Vertrag selbst verankert, also gar nicht als postcontractuelles angesehen, so daß ihre Verletzung noch als Verletzung einer Vertragspflicht erscheint. Andernfalls kommt bei Schädigung des Partners der inzwischen beendeten Beziehungen nur eine Deliktshaftung nach allgemeinen faute-Kriterien in Betracht52 .

3. Bonne foi und die Bestimmung der Leistungspflichten der Vertragspartner

Sieht man von der Funktion der bonne foi für die vorvertragliche Phase ab, so steht außer Zweifel, daß Art. 1134 Abs. 3 CC insbesondere für die gesamte Phase der Vertragsausführung weit über seinen Wortlaut hinausgewachsen ist. Bonne foi hat hier eine Treu und Glauben nach § 242 BGB vergleichbare Funktion erlangt. Seit Anfang der siebziger Jahre ist die Vorschrift Grundlage zahlreicher Nebenpflichten geworden, die weder im Parteiwillen noch im Gesetz verankert werden können53 , sich aber erklären lassen, wenn man Art. 1134 Abs. 3 CC im Sinne einer Vertragskonzeption versteht, die Verträge nicht lediglich als Kompromiß gegenläufiger Interessen, sondern - wie es Mestre ans Licht gebracht hat54 - als Kooperationsinstrumente versteht. Schon Demogue55 hatte 1932 ähnliches geäußert, konnte sich mit seinen Überlegungen gegen die damals übermächtige Dominanz des Willensdogmas aber nicht durchsetzen. Ohne daß die zentrale Bedeutung des Willens in Frage gestellt wird, erscheint dieser von nun ab eingebettet in einen als Loyalitäts- und Kooperationsgebot, devoir de loyauté et de coopération,

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umschriebenen Pflichtenrahmen, aus dem sich verschiedene Verpflichtungen, obligations, der Partner unabhängig von ihrem Willen ergeben56 .

Diese Pflichten betreffen wie im deutschen Recht zunächst die Art und Weise der Hauptleistung. Im Grunde ist das, wie eingangs festgestellt, nicht neu. Deutsches und französisches Verständnis waren sich in diesem Punkt seit langem nahe. Das neue Vertragsverständnis im französischen Recht hat aber zu einer Häufung und auch zu Änderungen der Zielrichtung der Pflichten geführt. Dies gilt z. B. für die Pflicht eines Partners, auf die Belange des anderen Partners Rücksicht zu nehmen57 , was allerdings nicht so weit geht, daß allgemein die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist58 . Besonders nachhaltig wurde die Ausübung eines Rechts zur Vertragsauflösung von dieser Pflicht berührt59 , desgleichen die Geltendmachung eines Anspruchs, obgleich der Gläubiger den Eindruck erweckt hatte, er werde nicht auf ihn zurückkommen60 . Das Loyalitätsgebot vermag die Pflicht zu begründen, daß sich ein Gläubiger in die Lage versetzt, die auf Abruf vereinbarte Leistung auch abrufen zu können61 , oder daß er dafür Sorge trägt, daß dem Schuldner Sicherheiten nicht verloren gehen62 . Erfordert die Art der Hauptleistung Zusammenarbeit, so sind die Partner zu dieser verpflichtet und zwar auch, wenn das zusätzliche Tätigkeiten erfordert63 . Die

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jüngste Tendenz, sogar eine Pflicht zur Neuverhandlung der Vertragselemente aus dem devoir de coopération abzuleiten, wurde bereits er wähnt64 . Sollte sich dies verfestigen, wäre künftig - wenn auch in anderer Gestalt - ein französisches Äquivalent der deutschen Behandlung der Veränderung der Geschäftsgrundlage gegeben65 , so daß richterliche Vertragskorrekturen sich erübrigen66 . Insgesamt erweist sich das Loyalitäts- und Kooperationsgebot des Art. 1134 Abs. 3 CC als wahrer Motor der Entdeckung neuer Partnerpflichten.

4. Typisierte Nebenpflichten

Abgesehen davon, daß die Funktion der bonne foi nach Art. 1134 Abs. 3 CC von der bloßen Präzisierung der Hauptleistung unmerklich in Richtung zusätzlicher, vom jeweiligen Vertrag abhängender Pflichten ausgedehnt worden ist, haben sich zwei Pflichten zu Typen entwickelt, die aber soviel Spielraum lassen, daß sie im konkreten Vertrag der Interessenlage angepaßt werden können, also nicht monotypisch wirken: Die Obligation d'information et de renseignement und die Obligation de sécurité. Beide können selbstverständlich zu Hauptpflichten gemacht werden, so daß der Vertrag zum Auskunfts-, Beratungs- oder Sicherheitsvertrag wird. Desgleichen können sie zu Hauptpflichten in einem anderen Vertrag gemacht werden. Beides setzt entsprechende Vereinbarungen der Partner voraus und interessiert hier folglich nicht67 .

Die Obligation d'information et de renseignement hat sich in einem noch vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbarem Maße entwickelt, so daß sie inzwischen den ersten Platz unter den vertraglichen Nebenpflichten einnimmt68 . Sie wird von obligations de conseil und de discretion flankiert. Zweite typisierte Nebenpflicht ist die Sicherungspflicht, Obligation de sécurité, die dem Schuldner im Interesse der Unversehrtheit vor

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allem der Person des Gläubigers69 obliegt. Die lange vor der Informationspflicht entwickelte Obligation de sécurité ist bis heute dogmatisch nicht abschließend geklärt, was sich wesentlich auf ihren Bestand und ihre Ausgestaltung auswirkt. Beide Pflichtengruppen sind vor allem Pflichten des Schuldners. Sie können aber nach dem Verständnis des Vertrages als Kooperationsinstrument durchaus auch dem Gläubiger obliegen70 .

Die überwiegend aus bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC71 abgeleitete Informationspflicht ist erstmals offenbar 1945 von Juglart72 genauer untersucht worden, hat sich aber nur langsam durchsetzen können. Angesichts der heute erreichten Breite ihres Wirkungsfeldes in der Rechtsprechung .hat die Lehre mit unterschiedliche Ansätzen Strukturierungen versucht, die aber wohl nur utopischen Charakter haben können. Häufig wird von Vertragslagen ausgegangen: (1) Verträge, deren Hauptleistung von einem Spezialisten zu erbringen ist und für den Gläubiger ein besonderes Risiko beinhalten; (2) Verträge, die die Besorgung von Angelegenheiten des Gläubigers zum Gegenstand haben und durch eine besondere Vertrauensbeziehung desselben zum Schuldner gekennzeichnet sind; (3) auf Dauerbeziehung gerichtete Verträge, die während der Ausführung immer neue, von ausreichender Information abhängige Entscheidungen erfordern73 . Für alle drei Gruppen gibt es zahlreiche Beispiele in der Rechtsprechung. Dennoch geäußerte Kritik richtet sich vor allem darauf, daß diese Gruppierungen keine Antwort geben, wie weit die Informationspflicht geht. Das trifft sicher zu und erklärt zu gleich, daß ihre Begrenzung auf Umstände, deren Kenntnis für den Gläubiger mit Blick auf die Hauptpflichten nützlich und erlaubt sind74 , breite Zustimmung gefunden hat75 Dennoch besteht kein Grund, die vertragstypologische Strukturierung aufzugeben. Vielmehr läßt sich bei des sehr gut miteinander zu einer aufeinanderfolgenden Grob- und Feinabstimmung verbinden. So wird man die Informationspflicht einer

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Bank über kursbestimmende Entwicklungen eines Anleihen emittieren den Unternehmens unterschiedlich weit ziehen müssen, je nachdem ein Depot- oder Verwaltungsvertrag vorliegt76 . Hier führt die Grob- und Feinabstimmung zu einem befriedigenden Ergebnis. Die Typenbildung nach der Vertragsgestaltung erleichtert auch die Feststellung, ob bonne foi die Informationspflicht zu einer Beratungspflicht erweitert77 . Es beruht nicht auf einem bloßen Zufall, daß bei Verträgen über den Erwerb von Hard- und Software komplizierter Datenverarbeitungssysteme weitgehend gleiche Informations- und Beratungspflichten aus bonne foi hergeleitet wurden78 . Desgleichen läßt sich die Ergänzung der Informationspflicht durch eine Diskretionspflicht bei Verträgen beobachten, wo der Schuldner typischerweise vertrauliche Kenntnis von bestimmten Umständen aus der Sphäre des Gläubigers erlangt. Die Diskretionspflicht der Banken ist ein bekanntes Beispiel79 . Man darf nur nicht bei der Vertragstypologie stehenbleiben, da bonne foi konkrete Redlichkeitsprüfung verlangt. Dabei kann auch nicht die Stellung des Gläubigers außer acht bleiben. So wird man die Informationspflicht des Schuldners weniger weit ziehen müssen, wenn der Gläubiger selbst Fachmann ist80 .

Die Pflicht des Schuldners, für die Sicherheit der Person des Gläubigers zu sorgen, ist verschiedentlich gesetzlich geregelt. Hier ist vor allem das Kfz-Haftungsgesetz vom 5. 7. 1985 zu nennen. Das Thema wird außerdem von der Ausgestaltung der Sachhalterhaftung nach Art. 1384 CC und der Erstreckung der Sachmängelgewähr auf Mangelfolgeschäden erheblich beeinflußt. All dies muß berücksichtigt werden, wenn über die nebenvertragliche Obligation de sécurité gesprochen wird. Sie ist im Grunde nur von Interesse, wenn nicht eine speziellere Regelung zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Im Laufe der Entwicklung dieser Nebenpflicht ist das etwas in Vergessenheit geraten, wird jedoch neuerdings wieder in Erinnerung gerufen81 .

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Die Pflicht, für die Sicherheit des Gläubigers zu sorgen, wurde vom Kassationshof in der berühmten Entscheidung vom 21. 11. 191182 für den Personenbeförderungsvertrag begründet und zwar als Neudefinition der Hauptpflicht des Beförderers, de conduire le voyageur sain et sauf à destination83 . Erst Jahrzehnte später erscheint die Pflicht zur Sorge für die Sicherheit des Gläubigers als Nebenpflicht bei anderen Verträgen, die ein besonderes Risiko für diesen bergen84 , sogar bei Kaufverträgen85 . Während sie bei Beförderungsverträgen durch die Entwicklung der Kfz-Haftung und der außervertraglichen Risikohaftung mittlerweile weitgehend gegenstandslos geworden ist, schlagen sich Lehre und Rechtsprechung bis heute mit ihrer dogmatischen Verankerung bei den anderen Verträgen und den damit zusammenhängenden Präzisierungen herum.

Die dogmatische Begründung wird ganz überwiegend in der équité gesucht86 , so daß die Personensicherheitspflicht mit der Anwendung des Art. 1135 CC gerechtfertigt wird. Möglicherweise hängen damit jeden falls teilweise die ungeklärten Einzelprobleme zusammen. Die Sicht weise wäre eine andere, wenn man auch hier das Loyalitätsgebot im Licht des Vertrages als Kooperationsinstrument sehen würde. Eine Pflicht, für die Sicherheit der Person des Partners zu sorgen, wäre da nach zu bejahen, wenn die Art der Hauptleistung so beschaffen ist, daß sie für den Gläubiger nur bei gleichzeitiger Garantie seiner Unversehrtheit zu einem sinnhaften Ergebnis führt. Umgekehrt würde sich eine entsprechende Sicherheitspflicht des Gläubigers ergeben. Dabei ist nicht zu verkennen, daß die Ableitung der Obligation de sécurité aus Art. 1134 Abs. 3 CC wohl leichter fiele, wenn der bonne foi zugleich ein Gebot der justice commutative immanent ware87 .

Die dogmatische Verankerung auch der Obligation de sécurité bei Art. 1134 Abs. 3 hätte zur Folge, daß man die Struktur des betreffenden Vertrages analysieren müßte. Nur so läßt sich ermitteln, ob der vertragsbezogene devoir de coopération eine Sicherheitspflicht erfordert. Dies entspricht der Auffassung, die das Bestehen einer obligation de sécurité

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nach Vertragslagen unterscheiden will88 . Zu eng ist es allerdings, wenn eine obligation de sécurité nur bei Verträgen bejaht wird, wo sich der eine Partner wegen der Art der Hauptleistung der Obhut des anderen anvertrauen muß89 . Daran ist zu Recht kritisiert worden, daß es zahlreiche Verträge gibt, wo dies nicht zutrifft, gleichwohl aber die Ausführung mit besonderen Gefahren für den Partner verbunden ist90 . Hinzuzufügen ist, daß auch der die Hauptleistung Ausführende besonderen Gefahren ausgesetzt sein kann, die aus dem Verantwortungsbereich des Gläubigers herrühren. Wenn man die obligation de sécurité bei der bonne foi i. S. des Art. 1134 Abs. 3 CC verankert, sollte es möglich sein auch diese Fälle zu erfassen.

Die Orientierung der obligation de sécurité an der Vertragsstruktur und bonne foi würde es erleichtern, die derzeitigen Schwierigkeiten zu überwinden, ob es sich um eine besondere Sorgfaltspflicht oder eine rein erfolgsbezogene Sicherheitspflicht handelt. Diese Streitfrage, die beim Beförderungsvertrag ungeklärt ist91 , könnte sich von vornherein nicht stellen, weil die Anwendung des Art. 1134 Abs. 3 vertragsspezifisch und nicht durch Übernahme ähnlicher Regelungen aus anderen Vertrags arten namentlich des Beförderungsvertrags zu erfolgen hat.

Geht man davon aus, daß obligations de sécurité als vertragliche Nebenpflichten nur in Betracht kommen, soweit das nach der Vertragsstruktur für loyale Ausführung im Geist der Kooperation erforderlich ist, so läßt sich ihre postulierte92 und in neuerer Zeit von der Rechtsprechung93 verwirklichte Zurückdrängung erklären. Soweit sich bereits aus objektivem Recht ein ausreichender Schutz des verletzten Gläubigers - und des Schuldners! - ergibt, bedarf es nicht einer vertraglichen Nebenpflicht: eine obligation accessoire, die zum Schutz berechtigter Interessen eines Vertragspartners nicht erforderlich ist, kann ihm weder auf grund des Loyalitäts- noch des Kooperationsgebots auferlegt werden.

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IV. Schlußbemerkungen

Ein altes französisches Sprichwort sagt, bonne foi va tout droit, und meint damit, daß integres und ehrenhaftes Verhalten keine Schleichwege benutzt. Der Sinn einer solchen Maxime wird durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Verhältnisse geprägt und hängt von den Vorstellungen ab, die in einem gegebenen historischen Moment in einer Gemeinschaft als Maßstäbe für den Umgang ihrer Mitglieder entwickelt werden. So ist es unausweichlich, daß bonne foi und Treu und Glauben in den Prozeß der Positivierung der Regeln einer bestimmten Gemeinschaft eingebunden sind und daraus ihre Stärke gewinnen, aber zugleich auch relativiert werden. Daran ändert der Umstand nichts, daß beide ihre Wurzeln in einem gemeinsamen Grund, der bona fides des römischen Rechts haben. Der gemeinsame Grund beinhaltet keine vorgegebene Ordnung, die es nur wieder aufzudecken gilt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Es ist aber nützlich, sie sich immer wieder zu vergegenwärtigen, vor allem in einer Zeit, in der juristische Theorie und Praxis und auch der Gesetzgeber immer öfter über die Grenzen des eigenen Rechts hinaus gehen müssen.

* Abgekürzt sind zitiert: Capitant-Terré-Lequette, Les Grands arrêts de la jurisprudence civile, 10. Aufl. 1994 (Capitant-Tecré-Lequette); Carbonnier, Droit Civil, Introduction, Les obligations, 16. Aufl. Paris 1992 (Carbonnier Introduction, IV); Coing, Europäisches Privatrecht, 1989 (Coing EP); Dalloz, Répertoire de droit civil (Dalloz, Rép Dr Civ - Stichwort); Demogue, Traité des obligations en général, Paris seit 1923 (Demogue); Fabre-Magnan, De l'obligation d'information dans les contrats, Paris 1992 (Fabre-Magnan); Ferid, Das französische Zivilrecht, 1. Aufl. 1971 (Ferid FrZR), z. Aufl. seit 1985 (Ferid-Sonnenberger FrZR); Ghestin, Traité de droit civil, Paris 1. 3. Aufl. seit 1982 (Ghestin- + Autor + Band); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts; Allgemeiner Teil, München 14. Aufl. 1987 (Larenz SchR I); Malaurie-Aynès, Cours de droit civil, Les obligations, 4. Aufl. Paris 1994 (Malaurie-Aynès); Mazeaud-Chabas, Leçons de droh civil, Introduction, Obligation: théorie genéral, Paris 1991 (Mazeaud-Chabas 1. 1, IL 1); Mayer, Die obligations accessoires im französischen Schuldrecht und ihr deutsches Pendant, Diss Tübingen 1988 (Mayer); Medicus, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, München 3. Aufl. 1993 (Medicus SchR I); Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. seit 1992 (MünchKomm-Autor); Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, München, 54. Aufl. 1994 (Palandt-Autor); Picod, Le devoir de loyauté dans l'exécution du contrat, Paris 1989 (Picod); Starck-Roland-Boyer, Droit Civil, Obligations, contrat, 3. Aufl. Paris 1993 (Starck-Roland-Boyer IL 1); Talon, Le concept de Bonne foi en droit français du contrat, Paris 1992 (Talon); Terré-Simler-Lequette, Droit Civil, Les Obligations, 5. Aufl. 1993 (Terré-Simler-Lequette III); Travaux de l'Association Henri Capitant, La Bonne foi, Bd XLIII, Paris 1992 (Trau Ass Cap).
1 NJW 1993.259 ff, 263.
2 Abgedruckt in Capitant-Terré-Lequette Nr. 94 mit ausführlicher Anm.
3 Die imprévision im französischen Recht ist hier nicht weiter zu behandeln, vgl. näher Ferid-Sonnenberger FrZR 1 F 754 ff m. w. N. Prof. Agostini verdanke ich den Hinweis auf die höchst aufschlußreiche Entscheidung Cass Civ v. 20. 2. 1974, Bull Civ 1974 III Nr. 85: 1908 Abschluß einer promesse de vente über ein Wohnhaus mit der Verpflichtung dieses am Tag des Nutzungsendes für 2450 FF zu verkaufen. 1965 Nutzungsende. Die Erben der Schuldner lehnen mit Rücksicht auf den außerordentlichen Wertverlust des franc die Erfüllung ab. Die Cour de Cassation hebt die diesem Argument folgende Entscheidung der Vorinstanz auf. Fortfall der Geschäftsgrundlage wird nicht einmal erwähnt.
4 Vgl. im deutschen Schrifttum z. B. Medicus SchR I S. 69; im französischen Mazeaud-Chabas II.1 Nr. 730-2; Carbonnier II Nr. 220.
5 Zum kanonistischen und später auch zum gemeinrechtlichen Verständnis vgl. Coing EP I S. 404. Art. 1134 Abs. 3 CC wurde als Bekräftigung dieser Auffassung verstanden, vgl. Mazeaud-Chabas aaO.
6 Zur insgesamt relativ beschränkten Rolle, die sich daraus für Treu und Glauben er gibt, vgl. Medicus SchR I S. 69.
7 Vgl. Bénabent Trav Ass Cap XLIII 1992.291.
8 Vgl. Bénabent aaO S. 292; Starck-Roland-Boyer II 2 Nr. 1196.
9 Vgl. Ferid FrZR 2 B 6 m. w. N Fn. 17.
10 Die Kontrolle von Vertragsklauseln, soweit sie nicht inzwischen dem AGBG zu entnehmen ist, spielt auch heute noch eine gewisse Rolle, vgl. etwa Heinrichs NJW 1995.156.
11 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 242 Rdn. 110 ff.
12 Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 23 ff.
13 Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 26.
14 Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 26.
15 Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 38 ff.
16 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967 S. 527; Larenz SchR I S.129 m. w. N Fn.13; Medicus SchR I S. 69 m. w. N.
17 Vgl. Medicus SchR I S. 70; MünchKomm-Roth § 242 Rdn. 38 ff.
18 Mestre, Rev trim dr civ 1986.101; Picod S. 83.
19 Vgl. Bénabent aaO; Starck-Roland-Boyer II 2 Nr. 1198: longtemps tenue en sommeil par la jurisprudence.
20 Vgl MünchKomm-Roth § 242 Rdn. 9.
21 Vgl. Guinchard-Montagnier, lexique de termes juridiques, 8. Aufl., Stichwort bonne foi; Dalloz, Rép Dr Civ, Bonne foi Nr. 3.
22 Vgl. Ferid-Sonnenberger FrZR 1 C 124. Zum Eigentumserwerb 3 B 19 ff; zur Anscheinsvollmacht 1 F 1073.
23 Ferid FrZR 2 B 6 m. w. N Fn. 17.
24 Larenz SchR I S. 125 f.
25 MünchKomm-Roth § 242 Rdn. 5.
26 Beide Blickrichtungen finden sich in unterschiedlichen Abstufungen vielfach im deutschen Schrifttum und in der Rspr. Auch insoweit genügt hier der Hinweis auf Larenz Schr I insbes S. 126: MünchKomm-Roth aaO; Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 3.
27 S. Mestre und Picod (oben Fn. 18); Bénabent Trav Ass Cap XLIII S. 297 ff m. w. N.
28 Vgl. Mayer S. 112.
29 Vgl. die einprägsame Formulierung von Terré-Simler-Lequette III Nr. 415.
30 Vgl. Petit Robert 1, Stichwort loyauté; Weis-Mattutat, Globalwörterbuch französisch-deutsch (Pons), Stichwort loyauté.
31 Für Starck-Roland-Boyer II.2 Nr. 1197 f zielt bonne foi auf das Verhalten der Parteien und das équilibre ihrer Beziehungen, schließt also équité offenbar ein. Ghestin-Viney IV Nr. 513, 516 zitieren bonne foi und équité einfach nebeneinander, ebenso Malaurie-Aynès I Nr. 632-634 (bezüglich der Sicherheitspflicht), sowie offenbar Talon S. 15 (aus tauschbar) und Carbonnier IV Nr. 27, 112 (équité und loyauté sollen gleichermaßen den esprit gegenüber dem Wortlaut, des Vertrages gewährleisten). Die Rechtsprechung verfährt wenig systematisch und nennt entweder équité und bonne foi einfach nebeneinander, oder beruft sich einmal auf équité, ein andermal auf bonne foi, vgl. JCI Civ Art. 1134-1135 Nr. 58 f.
32 Vgl. Terré-Simler-Lequette III Nr. 417: bonne foi = Loyalität des Verhaltens, équité = Gerechtigkeit.
33 Vgl. ausführlich Picod S. 83, 86 ff, 93 f: Bonne foi begründet die Pflicht, den Vertrag im gegenseitigen Vertrauen zu verhandeln und auszuführen. Equité stellt den zustandegekommenen Vertrag auf die Grundlage der justice commutative.
34 Vgl. Malaurie-Aynès, Introduction Nr. 39; Starck-Roland-Boyer, Introduction Nr. 14 (sub c 2); Mazeaud-Chabas I.1 Nr. 8 (conscience du juge).
35 Vgl. Picod S. 94: elle est au juge ce que la muse est au poète.
36 Vgl. Picod aaO; Terré-Simler-Leauette III Nr. 417.
37 Rev trim dr civ 1993. 124 ff Anm. Mestre.
38 Zweifelnd - nach rechtsvergleichenden Hinweisen u. a auf das deutsche Recht - Loussouarn, Trav Ass Cap XLIII 1992, S. 10 ff, 17. Zur Vorsicht mahnt auch Talon S. 11 f. Vgl. auch unten Fn. 65.
39 Vgl. Ferid-Sonnenberger 1 C 156 ff.
40 Ebendort 1 C 159.
41 Vgl. z. B. App Rouen v. 15. 2. 1992, Rev trim dr civ 1993. 355 Anm. Mestre: Honorarklausel eines Rechtsanwalts abusive, sein darauf gestütztes Leistungsverlangen nicht de bonne foi. Vgl. ferner Ghestin-Billiau III Nr. 244: das Recht zu einseitiger Vertragsauflösung muß de bonne foi ausgeübt werden, sonst liegt abus de droit vor; Picod Nr. 81.
42 Picod Nr. 80 (S. 94).
43 Vgl. Terré-Simler-Lequette III Nr. 417.
44 Vgl. z. B. Cass Civ v. 13. 10. 1987, Bull Civ 1987 I Nr. 262 S. 190: Ein Hotel, das einen Salon vermietet und einen Nebenraum als Garderobe einrichtet, hat die Pflicht, diesen zu überwachen. Oder Cass Civ v. 15. 11. 1988, Bull Civ 1988 I Nr. 318 S. 216: Der Banksafevertrag verpflichtet den Bankier, den Inhaber des Schlüssels auf seine Berechtigung zu überprüfen.
45 Das Problem erweist sich besonders bei der noch zu behandelnden obligation de sécurité als dornenreich.
46 Vgl. Agostini D 1974 Chr 8 (Nr. 3); Malaurie-Aynès Introduction Nr. 38; Terré-Simler-Lequette III Nr. 428 a. E.; Starck-Roland-Boyer Nr. 43; Dalloz, Rép Dr Civ, Equité Nr. 1, 7.
47 Malaurie-Aynès, Introduction Nr. 39, sehen darin wegen der fallbezogenen Ausgleichsfunktion der équité eine pente fatale. Vgl. auch Carbonnier, Introduction Nr. 14.
48 Ausführlich Ferid-Sonnenberger 1 F 819 ff m. w. N.
49 Vgl. Ferid-Sonnenberger 1 C 144. Auf die noch ausstehende nähere Untersuchung der Lehre vom abus de droit im Schuldvertragsrecht (vgl. 1 C 163 Fn. 212) ist hinzuweisen.
50 Dieses Thema ist ausführlich in Ferid-Sonnenberger 1 F 267 ff m. w. N abgehandelt und muß nicht vertieft werden. Zur Anwendung des Art. 1134 Abs. 3 CC auf das Verhalten von Verhandlungspartnern vgl. aber noch die interessante thèse von Fabre-Magnan Nr. 439 ff.
51 Dagegen war die Entwicklung einer vorvertraglichen Personen- und Sachsicherungspflicht nicht erforderlich, so daß es hier bei der Anwendung des allgemeinen Deliktsrechts bleiben konnte, vgl. Ferid-Sonnenberger 1 F 276.
52 Vgl. etwa zur nachvertraglichen Verpflichtung eines Arbeitnehmers, Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, Ferid-Sonnenberger 2 K 62; desgleichen des Veräußerers eines Unternehmens, Pédamon, Droit Commercial, 1994, Nr. 276. Für die nachvertragliche Pflicht zum Schutz des Vertragspartners und seiner Sachen, solange diese sich noch in dem vom anderen kontrollierten Gefahrenbereich befinden, vgl MünchKomm-Roth § 242 BGB Rdn. 197, dürfte im französischen Recht die deliktsrechtliche faute - oder Sachhalterhaftung ausreichen, da es wie oben erwähnt keine Exkulpation bei Handeln eines Verrichtungsgehilfen gibt. Es gilt folglich das Gleiche, wie für die vorvertragliche Phase, vgl vorige Fn.
53 Vgl. Mayer S. 110 f.
54 Vgl. oben Fn. 18.
55 Demogue VI Nr. 12.
56 Vgl. schon Demogue VI Nr. 14 und im neueren Schrifttum statt vieler JCl Civ Art. 1134 et 1135 Nr. 90, 99; Terré-Simler-Lequette III Nr. 414; Starck-Roland-Boyer II.2 Nr. 1198, 1202. Die Terminologie ist aber nicht immer einheitlich. So verwendet Picod in seiner Monographie zwar devoir de loyauté, fährt dann aber mit Obligation de coopération fort. Nicht ganz glücklich Mayer, der S. 112 ff, 123 ff devoir allgemein durch Obligation de coopération ersetzt. Kritisch zu der Vermengung Fabre-Magnan Nr. 4 ff. Es empfiehlt sich, Obligation nur dann zu verwenden, wenn von bestimmten Verpflichtungen die Rede ist, die sich aus dem devoir de loyauté et de coopération ergeben, mit diesem also nur den Pflichtenrahmen zu bezeichnen.
57 Vgl. z. B. App Colmar v. 15.2.1963, JCl Civ Art. 1134 et 1135 Nr. 93 (5. Fall); Cass Com v. 19. 12. 1989, Rev trim dr civ 1990. 649 Anm. Mestre; zustimmend Terré-Simler-Lequette III Nr. 416.
58 Das kann den Spezialregelungen der Art. 1244-1 CC und Art. L 331-5 CConsom entnommen werden, die einen Rückgriff auf Art. 1134 Abs. 3 CC ausschließen, vgl. Mestre Rev trim dr civ 1994. 100 f.
59 Am Anfang steht Cass Civ v. 14. 3. 1956, D 1956 J 449. Vgl. zur weiteren Entwicklung etwa JCl Civ Art. 1134-1135 Nr. 98. Interessant Cass Soc v. 25. z. 1992, Rev trim dr civ 1992. 760 f Anm. Mestre.
60 Vgl Cass Com v. 7. 1. 1963, Bull Civ 1963 III Nr. 16; Cass Civ v. B. 4. 1987, Bull Civ 1987 III Nr. 88. Die Fälle sind der Verwirkung im deutschen Recht vergleichbar.
61 Cass Com v. 1. 10. 1991 zit. nach Bénabent, Ass Trav Cap XLIII 1992. 295.
62 Cass Com v. 16. 4. 1991 Bull Civ 1991 IV Nr. 142.
63 App Paris v. 18. 6. 1984, Rev trim dr civ 1986. 100 Anm. Mestre (Pflicht des Lieferanten von elektronischer Hard- und Software, die Anforderungen des Kunden in klare Sprache umzusetzen); v. 26. 6. 1985, ebendort (Dialogbereitschaft des Kunden bei Inbetriebnahme des Systems).
64 Oben Fn. 37.
65 Vgl. dazu Picod Nr. 176; Malaurie-Aynès VI Nr. 622 mit Hinweis auf Desgorges, La bonne foi dans le droit des contrats, rôle actuel et perspectives, thèse Paris II, 1992. Es ist aber gegenwärtig für eine Aussage noch zu früh. Laut Mestre Rev trim dr civ 1993. 124 ff kann die Fn. 37 zitierte Entscheidung der Cass Com noch nicht als arrêt de principe angesehen werden.
66 Scheitert die Neufestlegung des Vertrages an einer Verletzung der Obligation de rénégocier, so können die Folgen durch Begründung einer Schadensersatzpflicht, evtl auch durch richterliche Vertragsauflösung, also nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht, behoben werden.
67 Vgl. Picod Nr. 95; Fabre-Magnan Nr. 412, 423 statt vieler.
68 Ferid FrZR 2 B 20 weist auf diese Pflicht entsprechend der damaligen Rechtslage nur beiläufig hin. Ghestin nennt in der préface zur großen thèse von Fabre-Magnan, De l'obligation d'information dans les contrats, Paris 1992, die Entwicklung particulièrement spectaculaire. Bibliographische Nachweise bei Fabre-Magnan S. 3 Fn. 10; Picod Nr. 94 Fn. 3; Starck-Roland-Boyer II.2 Nr. 285 Fn. 205.
69 Auf diese beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen. Nebenpflichten zur Vermögenssicherung treten dagegen völlig zurück. Sie werden z. T. unter anderer Bezeichnung erörtert, vgl. z. B. zur Pflicht eines Hoteliers bei Vermietung eines Salons die Garderobe zu überwachen Cass Civ v. 13. 10. 1987, Bull Civ 1987 I Nr. 262; einer Bank bei Banksafe-Vermietung zur Kontrolle der Zugangsberechtigung Cass Civ v. 15. 11. 1988, Bull Civ 1988 I Nr. 318.
70 Vgl. Picod S. 114 f. S. z. B. Cass Com v. 7. 2. 1992, JCP 1993 II 22009.
71 Die auch anzutreffende Bezugnahme auf Art. 1135 CC hängt eng mit den oben geschilderten Unklarheiten zusammen.
72 Rev trim dr civ 1945. 1 ff. Dazu Fabre-Magnan Nr. 1 Fn. 7.
73 Picod Nr. 94 ff; teilweise entsprechend Mayer S. 132 ff. Kritisch zu diesen Typisierungen Fabre-Magnan Nr. 274.
74 Fabre-Magnan Nr. 170.
75 Vgl. statt aller Ghestin in der préface zur thèse von Fabre-Magnan.
76 Vgl. das Beispiel Cass Com v. 18. 3. 1993, DS 1993 IR 165. Weitere Nachweise bei Malaurie-Aynès Nr. 634 Fn. 51.
77 Vgl. die Übersicht der Rspr. bei Starck-Roland-Boyer II.2 Nr. 1204; Picod Nr. 102 Fn. 51-58; Fabre-Magnan Nr. 475.
78 Vgl. z. B. Cass Com v. 28. 10. 1986, Bull Civ 1986 IV Nr. 195; App Paris v. 4. 1. 1980, DS 1985 IR 42; v. 18. 6. 1984 Rev trim dr civ 1986. 102 Anm. Mestre; v. 15. 1. 1987, DS 1987 IR 37.
79 Vgl. Lamy, Droit du financement, 1994, Nr. 2778. Vgl ferner Picod Nr. 111 ff; Rives-Lange/Contamin-Raynaud, Droit bancaire, 5. Aufl. 1990, Nr. 172 ff. Auf das wohl nicht zutreffende Verständnis der deutschen Rechtslage bei Picod Nr. 111 kann hier nicht eingegangen werden.
80 Umfassend Fabre-Magnan Nr. 241 ff; Starck-Roland-Boyer 11.2 Nr. 296. Vgl. ferner Terré-Simler-Lequette III Nr. 430; Cass Com v. 15. 11. 1978, Bull Civ 1978 IV Nr. 263.
81 Vgl. Ghestin-Viney IV Nr. 501. S. auch nachfolgend Fn. 83.
82 Abgedr. bei Capitant-Terré-Lequette Nr. 188.
83 Vgl. die treffende Bemerkung von Jestaz, Dalloz, Rép Dr Civ, Equité Nr. 26.
84 Übersichten bei Capitant-Terré-Lequette Nr. 188 observations I; Mazeaud-Chabas II.1 Nr. 402; Ghestin-Viney IV Nr. 500; Mayer S. 65 ff.
85 Cass Civ v. 11. 6. 1991, Bull Civ 1991 I Nr. 201.
86 Vgl. etwa JCI Civ Art. 1134 et 1135 Nr. 61; Terré-Simler-Lequette III Nr. 429; Mazeaud-Chabas 11.2 Nr. 351; rechtsvergleichend Mayer S. 60 ff.
87 Auf diesen Aspekt der Anwendung des Art. 1135 weist z. B. Ghestin-Billiau III Nr. 48 hin. Vgl. ferner die treffende Beobachtung von Meller, Obligation de sécurité, Diss. Berlin 1974 S. 38.
88 Vgl. dazu näher Ghestin-Viney IV Nr. 501.
89 S. vor allem Dury, Rev trim dr civ 1977, 323.
90 Ghestin-Viney IV Nr. 501. Der Risikogedanke findet sich z. B. bei Starck-Roland Boyer 11.2 Nr. 1071; Malaurie-Aynès VI Nr. 633. Vgl. ferner Carbonnier IV Nr. 296, der diesen Aspekt einschränkend präzisiert. S. aber auch den Hinweis von Ghestin-Viney IV Nr. 501: dieser Aspekt stellt die obligation de sécurité in unmittelbare Nähe zur Sachhalterhaftung nach Art. 1384 CC.
91 Dazu demnächst Ferid-Sonnenberger 2 B § 2 (in Vorbereitung).
92 Dezidiert Ghestin-Viney IV Nr. 501 a. E.
93 Vgl. etwa Cass Civ v. 7. 3. 1989, Bull Civ 1989 I Nr. 118; Cass Civ v. 10. 1. 1990, Rev trim dr civ 1990. 481; v. 4. 7. 1990, Bull Civ 1990 II Nr. 165. Diese Rechtsprechung hat je doch bisher nicht zu einer allgemeine Schlußfolgerungen zulassenden Begrenzung geführt, wie z. B. die oben zitierte Behandlung des Kaufvertrages zeigt.

Referring Principles
A project of CENTRAL, University of Cologne.