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Knoblach, Steffen: Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, Berlin 2003.

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Knoblach, Steffen: Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, Berlin 2003.
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Kapitel 4: Sachverhaltsermittlung im Vorverfahren

§ 17 Rechte und Pflichten hinsichtlich der Vorlage von Schriftstücken

2. Überblick: disclosure and inspection of documents nach den neuen englischen Civil Procedure Rules

e) Weigerungsrechte (privileges)

bb) Anwaltsprivileg (legal professional privilege)

Das in der Praxis wichtigste Weigerungsrecht ist das Anwaltsprivileg (legal professional privilege)71. Dieses läßt sich wiederum untergliedern in das Anwaltsprivileg im engeren Sinne (legal professional privilege i. e. S.) und in das Prozeßprivileg (litigation privilege). Das Anwaltsprivileg i. e. S. umfaßt jeden direkten Schriftwechsel zwischen der Partei und ihrem Rechtsanwalt, der dem Zweck der Beratung dient72, gleichviel, ob dieser vor oder nach Prozeßbeginn stattgefunden hat und unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt, zu dem der Schriftwechsel stattfand, von einem Prozeß ausgegangen wurde73. Grund für die Anerkennung des Weigerungsrechts in diesen Fällen ist der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen der Partei und ihrem Rechtsbeistand. Gäbe es das Anwaltsprivileg i. e. S. nicht, bestünde die Gefahr, daß Parteien ihren Anwälten Informationen vorenthalten und damit eine effektive Rechtsberatung und das Fördern eines Vergleiches erschweren74.

Besonders problematisch in Wirtschaftsverfahren ist dabei der Begriff des Rechtsanwaltes. Heute ist allgemein anerkannt, daß das Weigerungsrecht auch den Schriftwechsel zwischen Arbeitgebern und deren angestellten Rechtsanwälten, also etwa Justitiaren und Mitgliedern der Rechtabteilung umfaßt75. Juristische Laien, die rechtsberatend tätig werden, sind indes nicht erfaßt76. Erteilt also etwa der Architekt in einem baurechtlichen Verfahren einer Partei schriftlich eine juristische Auskunft, so ist Einsicht in das Schriftstück zu gewähren. Nicht erfaßt ist auch der Schriftwechsel zwischen dem juristischen Parteienvertreter und Dritten77.

Vom Anwaltsprivileg i. e. S. zu unterscheiden ist das Prozeßprivileg. Dieses schützt all denjenigen Schriftwechsel, der von Anfang an mit der Absicht gemacht wurde, ihn in einem anhängigen oder beabsichtigten Verfahren zu nutzen78. Dabei muß das Verfahren wenigstens vernünftigerweise absehbar gewesen sein (reasonably in prospect)79. Umfaßt sind Schriftstücke, die zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten oder dem Rechtsanwalt und Dritten oder einem Klienten und Dritten mit der Absicht ausgetauscht wurden, Informationen für den Rechtsanwalt, etwa über Beweismittel zu beschaffen80. Die Begrenzung auf Schriftstücke, mittels derer Informationen für einen Rechtsanwalt beschafft werden, schließt eigentlich einen Schutz von Parteien, die sich selbst vertreten, aus. Heute dürfte dennoch weitgehend anerkannt sein, daß auch die Partei, die sich nicht vertreten läßt, ein Weigerungsrecht hinsichtlich der Schriftstücke besitzt, die sie zur Prozeßvorbereitung, etwa als mögliche Beweismittel, zusammengetragen hat81. Problematisch ist der Schutz des Schriftwechsels, wenn die Partei sich von einem juristischen Laien im Prozeß vertreten läßt. Die wohl h. M. erkennt ein Weigerungsrecht hinsichtlich des Schriftwechsels der Partei mit Laien-Prozeßvertretern nicht an82. Dies erscheint als eine durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigte Einflußnahme auf die Freiheit der Parteien, über die Art und Weise ihrer Prozeßverteidigung zu entscheiden.

71Dazu The Supreme Court Practice 1999, Rz. 24/5/8 ff.; Matthews/Malek, Disclosure, Rz 9.005 ff; Cross/ Wilkins, S. 193 ff.
72Lord Denning in Buttes Gas and Oil Co v. Hammer (No. 3) [1980] 3 All ER 475, 488 (CA).
73Barnard/Houghton, S. 210.
74Ventouris v. Mountain (The Italia Express) [1991] 3 All ER 472, 475 (CA)
75Matthews / Malek, Disclosure, Rz. 9.017
76Milne, JCIArb. 1994, S. 285, 286.
77Milne, JCIArb. 1994, S. 285, 286.
78Lord Denning in Bulles Gas and Oil Co v. Hammer (No. 3) [1980] 3 All ER 475, 484 mit Verweis auf Waugh v. British Railways Board [1979] 2 All ER 1169, [1980] AC 521 (HL).
79Waugh v. British Railways Board [1979] 2 All ER 1169 (HL).
80Milne, JCIArb. 1994, S. 285, 286.
81Vgl. Bingham, L.J. in Ventouris v. Mountain [1991] 3 All ER 472.
82So etwa auch die Entscheidung in New Victoria Hospital v. Mrs. D Ryan, zitiert nach Milne, JCIArb. 1994, S. 285, 288; dort auch weitere Nachweise, insbesondere zur Gegenposition.

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