Der unmittelbar wirksame Aufrechnungsvertrag über bereits existente Forderungen ("compensato in praeteritum", "eigentlicher Aufrechnungsvertrag"154; "Aufrechnungsvollzugsvertrag"155) stellt die Urform des Aufrechnungsvertrages dar. Ihn hat man im Sinn, wenn schlechthin von dem "Aufrechnungsvertrag" die Rede ist156. Der Vertrag entspricht dem oben157 dargestellten Idealbild des gegenseitigen, kausalen Verfügungsvertrages. Seine rechtliche Konstruktion ist unproblematisch. Die Parteien einigen sich über die Tilgung der gegenseitigen Forderungen durch Verrechnung, soweit sich diese betragsmäßig decken158. Da es sich um eine Verfügung über bereits existente Forderungen handelt, ist ein Konflikt mit dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz von vornherein ausgeschlossen. Begreift man den Aufrechnungsvertrag als echte Aufrechnung konsensualen Ursprungs159 und liegen die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 387ff BGB nicht vor, enthält der Vertrag zugleich eine schuldrechtliche Abrede über die Abbedingung dieser Voraussetzungen160. Dies gilt etwa in den Fällen, in denen die Gegenforderung, mit der der Schuldner aufrechnen will, noch nicht fällig ist. Diese Aufrechnung künftig fällig werdender Ansprüche ist zu unterscheiden von den später zu behandelnden bedingten oder antizipierten Aufrechnungsvereinbarungen, bei denen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung die aufzurechnenden Forderungen nicht nur nicht fällig waren, sondern noch gar nicht bestanden161.
154Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation, S. 592; Kleinschmidt, Vertragsmäßige Erweiterungen und Beschränkungen des Aufrechnungsrechts, S. 37; Alexander, Datio in solutum und compensatio voluntaria, S. 46.
155AK-BGB-Brüggemeier, §§ 387-389, Rdn. 39.
156Schade, Über den Aufrechnungsvertrag, S. 11.
157Vgl. oben § 14 III. 1.
158Vgl. J. Goldschmidt, ArchBürgR 15 (1899), S. 152, 184; Dernburg, Geschichte und Theorie der Kompensation, S. 592ff; Eisele, Die Compensation nach Römischem und Gemeinem Recht, S. 375; Arndt, Ueber den Aufrechnungsvertrag, S. 9; Kleinschmidt, Vertragsmäßige Erweiterungen und Beschränkungen des Aufrechnungsrechts, S. 2; Esser/Schmidt, SchuldR AT, Teilb. 1, § 18 III.6.
159Dazu oben § 14 I.
160Vgl. Brych, Die Konzernverrechnungsklausel, Ein Skontrationsvertrag, S. 49.
161Vgl. Vollkommer, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zu § 392 BGB.