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Wild, Peter E., Die Verrechnung im internationalen Privatrecht, St. Gallen 1992

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Wild, Peter E., Die Verrechnung im internationalen Privatrecht, St. Gallen 1992
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Die Verrechnung im internationalen Privatrecht

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II. EINORDNUNG DER VERRECHNUNG IN DAS US AMERIKANISCHE RECHTSSYSTEM

1. Materiellrechtliche Bestimmungen

Die USA kennen keine dem schweizerischen OR vergleichbare Kodifikation. Auf Bundesebene würde dazu die verfassungsmässige Grundlage fehlen257, in den Staaten entsteht nach wie vor ein erheblicher Teil des entsprechenden Rechts durch die Rechtsprechung. Dies gilt insbesondere für den Bereich des allgemeinen Teiles des Obligationenrechts, der in der Schweiz in den Art. 1 - 183 OR geregelt ist.

Verstreut in verschiedenen Erlassen verschiedenster Stufen finden sich aber einzelne Bestimmungen, die teilweise zur Hauptsache, teilweise eher nebenbei verrechnungsrechtliche Regelungen enthalten.

1.1. BUND

1.1.1. Konkursrecht

Das Konkursrecht wurde 1979 bundesweit vereinheitlicht und neu geregelt258. § 553 des neuen Konkursgesetzes erlaubt den Konkursgläubigern grundsätzlich, mit und gegen Forderungen, die vor der Konkursanmeldung entstanden sind, zu verrechnen, soweit ein ausserkonkursrechtliches Verrechnungsrecht bestand.

Dabei wird das Institut der Verrechnung als bekannt vorausgesetzt. § 362 setzt der Verrechnung durch den sogenannten automatic stay verfahrensrechtliche Grenzen259, und § 553 listet eine Reihe von missbrauchhindernden Bestimmungen und Einschränkungen auf.

1.1.2. Elkins Act260 & Interstate Commerce Act

Diese beiden Gesetze261 enthalten Bestimmungen, dass Forderungen der Eisenbahnunternehmen, in Geld zu bezahlen. seien, was unter an-

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derem die Wirkung eines gesetzlichen Verrechnungsverbotes hat262. Es wird nicht klar, ob der Gesetzgeber überhaupt an die Verrechnung gedacht hat oder dies bloss eine Nebenwirkung der Bestimmung ist.

1.1.3. Fair Credit Billing Act of 1974

In diesem Bundesgesetz263 wird unter dem Gesichtspunkt des Konsumentenschutzes der Kreditkontoinhaber einer Bank (besonders wenn es sich um ein Kreditkartenkonto handelt) vor der Verrechnung mit Guthaben bei derselben Bank wider seinen Willen geschützt. Der Gesetzgeber geht offensichtlich auch hier davon aus, dass ein Verrechnungsrecht grundsätzlich bestehen würde, da sonst ein Verrechnungsverbot nicht nötig wäre.

1.2. NEW YORK & KALIFORNIEN

1.2.1. Kaufrecht

UCC § 2-717, den sowohl Kalifornien wie auch New York wörtlich übernommen haben264, statuiert explizit ein Verrechnungsrecht des Käufers für Forderungen, die ihm aus Schlecht- oder Nichterfüllung eines Kaufvertrages zustehen. Verrechnen kann der Käufer mit der Kaufpreisforderung des Verkäufers, soweit diese noch geschuldet ist. Damit wurde für ein wichtiges Rechtsgebiet die Verrechnung durch einseitige Erklärung eingeführt.

1.2.2. Bankenrecht

Ebenfalls im UCC findet sich eine weitere wichtige explizite Verrechnungsbestimmung, § 4-303 (1). Dannach darf die Bank, auf die ein Check oder ein anderes Wertpapier ausgestellt ist, mit dem Konto des Ausstellers selbständig und ausserprozessual verrechnen, wenn sie

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das Inkasso des Wertpapieres eingeleitet hat. Auch hier wird für einen wirtschaftlich wichtigen Bereich explizit ein einseitiges Verrechnungsrecht geschaffen.

Kalifornien265 gewährt den Bankkunden allerdings unter bestimmten Voraussetzungen einen Sperrbetrag von US$ 1000.-, der vor der Verrechnung geschützt ist.

1.2.3. Mietrecht

Begründend auf dem Model Residential Landlord-Tenant Code (Entwurf 1969) § 2-206 (1) erliess Kalifornien Cal. Civ. Code § 1942 (West Supp. 1982). Danach kann der Mieter die Kosten für Reparaturen an der Mietsache, die er selbst ausführen (lassen) musste, selbständig von der Mietzinsforderung des Vermieters abziehen.

1.2.4. New York Debtor & Creditor Law, § 151266

§ 151 gewährt dem Gläubiger eines Schuldners, gegen den ein Konkursverfahren o.ä., ein Anruf oder generelle Sicherungs- oder Vollzugsmassnahmen eingeleitet wurden, einseitig und aussergerichtlich das Recht zur Verrechnung, bevor die Schuld fällig ist.

2. Zivilprozessuale Vorschriften

2.1. BUND

2.1.1. FRCP 13267

Rule 13 umschreibt die prozessualen Möglichkeiten oder Pflichten, die Ansprüche des Beklagten gegen den Kläger vor Gericht geltend zu machen. Sie drückt die klassische amerikanische Auffassung zum Verrechnungsrecht aus, indem die Verrechnung nicht selbständig, sondern als Verteidigungsmittel im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung ermöglicht wird. Die Verrechnung wird nicht als Teil des mate-

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riellen Rechts verstanden, sondern als ein Mittel zur umfassenden Streitbeilegung zwischen zwei Parteien, wenn einmal ein Verfahren zwischen diesen läuft268. Rule 13 hat damit klar prozessualen Charakter.

2.2. NEW YORK & KALIFORNIEN

2.2.1. NY CPLR § 3019269

§ 3019 entspricht als Widerklageregel weitgehend FRCP 13, sodass für den Moment ein Verweis auf die obenstehenden Ausführungen genügen soll.

2.2.2. CA CCP § 431.70270

Das kalifornische Verrechnungsrecht beruht nicht ausschliesslich auf dem common law; es sind französische Einflüsse ersichtlich. 1872 hatte Kalifornien das französische Verrechnungsmodell271 adaptiert272. Der so entstandene § 44.0 wurde im Laufe der Revision des Zivilprozessrechtes 1972 aufgehoben und durch den neuen § 431.70 ersetzt, der jedoch der französischen Tradition in mancher Beziehung verhaftet blieb273. Immerhin ist § 431.70 insofern eine zivilprozessuale Norm, als statuiert wird, dass die Verrechnung eo ipso im Falle eines Prozesses vom Beklagten als Einrede behauptet werden muss. Damit hat die Verrechnung in Kalifornien teils materiellrechtlichen, teils prozessualen Charakter274,275.

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3. Zusammenfassung

3.1. BUND UND NEW YORK

Umfassend ist die Verrechnung in den Gesetzen des Bundes und von New York nur unter dem prozessrechtlichen Aspekt geregelt. Der prozessuale Aspekt bildet den Kern der amerikanischen Verrechnung. Sie ist nicht Erfüllungssurrogat, sondern Verteidigungsmittel des Beklagten. Somit kann man sagen, dass die Verrechnung einerseits einen Teil des amerikanischen Prozessrechtes bildet276.

Vereinzelt (häufig auf sozialen Schutzgedanken basierend) finden sich Bestimmungen im materiellen Recht, die die Verrechnung durch einseitige Erklärung zulassen oder gänzlich ausschliessen. Daneben bestehen aber auch einige wichtige materielle Verrechnungsvorschriften wie z.B. NY Debtor & Creditor Law § 151.

3.2. KALIFORNIEN

In Kalifornien bietet sich von der Gesetzgebung her ein grundsätzlich anderes Bild als im Bund oder in New York. Die Verrechnung ist klar als materiellrechtliches Institut übernommen worden. Doch muss festgehalten werden, dass sie im kalifornischen Zivilprozessrecht kodifiziert ist und grundsätzlich auch in Kalifornien nur im Rahmen eines Verfahrens wirksam erklärt werden kann. Ausserdem finden wir verschiedene individuelle Bestimmungen, welche die Verrechnung in Sonderfällen einschränken oder, was systematisch verwirrt, ausdrücklich erlauben, ähnlich wie im Bund und in New York.

257Vgl. Art. I Section 8 der Bundesverfassung.
258Bankruptcy Act, 11. U.S.C.A. (1979).
259In re Verco Industries, 704 F.2d 1134 (U,S, 9th Cir).
26049 U.S.C.A. § 41 (3) 1951.
261Beide wurden zum Schutz der maroden Eisenbahnwirtschaft erlassen.
262Die Rechtssprechung entwickelte daraus ein generelles Verrechnungverbot für Forderungen aus Speditionsverträgen: Sunshine v. Rochester Independent Packers Co., Inc., 64 A.D. 2d 1009, 409 N.Y. S. 2d 463 (4th Dep't 1978).
26315. U.S.C. § 1666 h (1976) 12 C.F.R. § 226.13 (j).
264Cal. Comm. Code § 2717 (West). NYUCC § 2-717 (Mc Kinney's).
265Cal. Fin. Code § 864 (West Supp. 1982).
266(Mc Kinney Supp. 1983 - 1984).
267Federal Rules of Civil Procedure, Rule 13.
268FRCP Rule 13, Note 5; Montalcini Edison, S.P.A. v. Ziegler, 1973, 486 F 2d 1279, 159 US App. D.C. 19.
269Civil Practice Law and Rules; in Mc Kinney's.
270Code of Civil Procedure; in West's.
271D.h. Verrechnung eo ipso.
272Gäbel, S. 104.
273CCP (annotated) § 431.70, p. 413.
274Gäbel, S. 125.
275Singer Co. v. County of Kings, 46 Cal.App. 3d 852, 869, 121 Cal. Rptr. 398, 409 (5th Dist. 1975).
276Bucher (Verrechnung), S. 705.

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