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Baumann, Antje, Regeln der Auslegung internationaler Handelsgeschäfte, Eine vergleichende Untersuchung der UNIDROIT Principles, der Principles of European Contract Law, des Uniform Commercial Code und des deutschen Rechts

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Baumann, Antje, Regeln der Auslegung internationaler Handelsgeschäfte, Eine vergleichende Untersuchung der UNIDROIT Principles, der Principles of European Contract Law, des Uniform Commercial Code und des deutschen Rechts
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2. Kapitel: Die zu vergleichenden Normsätze

I. Grundsätze der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen

[...]

5. Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis ergibt sich aus den bisherigen Betrachtungen folgendes Bild:

Der Ausgangspunkt des Interpretationsprozesses ist in den zu vergleichenden Rechtsordnungen weitgehend identisch. Liegt ein gemeinsamer Parteiwille als in der Realität vorhandenes psychologisches Phänomen vor, setzt sich dieser durch. Das subjektive Verständnis ist dann relevant, wenn beide Parteien den konkreten Worten dieselbe Bedeutung beigelegt haben. Wenn beide Parteien dieselbe Bedeutung mit dem umstrittenen Vertragstext verbunden haben, setzt sich dieses Verständnis auch im amerikanischen Recht durch, selbst wenn es keinen Ausdruck in der Erklärung gefunden hat. Dem in den USA zum Common Law teilweise vertretenen rein objektivistischen Ansatz kann demgegenüber nicht mehr gefolgt werden. Er widerspricht den dem UCC zugrundeliegenden Grundsätzen, wonach der Parteiwillen mehr in das Blickfeld der Betrachtung gerückt wird.

Der in Art. 4.1 (1), Art. 4.2 (1) UNIDROIT Principles und in Art. 5:101 (1) PECL gebrauchte Begriff des übereinstimmenden Parteiwillens ist im Sinne eines subjektiven empirischen Willens zu verstehen. Demgegenüber bezeichnet die deutsche Rechtsprechung mit gemeinsamen Willen dasjenige, was sich aufgrund einer wertenden Betrachtung als objektiver Sinn ihrer Erklärung ergibt. Wenn US-amerikanische Gerichte von der Ermittlung eines gemeinsamen Parteiwillens sprechen, haben auch sie schon einen objektivierten Willen im Sinn.

Die Ermittlung des unausgedrückten einseitigen Willens einer Partei spielt grundsätzlich nur bei der Frage eine Rolle, ob überhaupt ein gemeinsamer Wille vorliegt. Ist das nicht der Fall, ermittelt das Gericht grundsätzlich nicht59 den unausgedrückten einseitigen Willen einer Partei. Vielmehr kommt es in diesen Fällen zu einer Objektivierung. Soweit ein empirischer Parteiwille nicht feststellbar ist, legt man nach deutschem Recht die Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont aus. Dies ist ein normativ-objektivierter Standard. Die UNIDROIT Principles und die PECL fragen nach dem Verständnis der reasonable person. Desgleichen findet im amerikanischen Recht eine Objektivierung des Auslegungsprozesses durch den Standard der reasonableness statt.

Folgende wichtige Erkenntnis ist dabei festzuhalten: Es handelt sich bei dem Objekivierungsprozess nicht um einen abstrakten Test der Vernünftigkeit. Vielmehr muss sich der Auslegende in die konkrete Position der Parteien versetzen und fragen, wie vernünftige Parteien in denselben Umständen die Erklärung verstanden hätten. Sonderwissen des Erklärungsempfängers findet dabei nach allen Rechtsordnungen Berücksichtigung. Der zur Entscheidung über die Auslegungsfrage berufene Richter hat sich selbst in die Position des vernünftigen Erklärungsempfängers bzw. der reasonable person zu versetzen.

Insgesamt betrachtet kommt dem Konzept des subjektiven gemeinsamen Parteiwillens unter den UNIDROIT Principles und den PECL eine größere Bedeutung zu, während in der amerikanischen Rechtsprechungspraxis der reasonableness-Test eine dominierende Rolle spielt. Dieser objektive Standard wird von den amerikanischen Gerichten häufig in den Vordergrund gerückt. Das Hauptaugenmerk richten die Richter auf die objektive Erklärungsbedeutung, nicht auf den subjektiven Parteiwillen.212 Eine Ausnahme gilt für ein gemeinsames, vom normalen Bedeutungssinn abweichendes Verständnis der Parteien. Daraus ergibt sich, dass der Ausgangspunkt der Auslegung unter den UNIDROIT Principles und den PECL ein wenig subjektiver angelegt ist.

Im Hinblick auf die außerhalb des Erklärungsaktes zu berücksichtigenden Umstände ist ein Unterschied insoweit zu erkennen, als nach deutschem Verständnis die nach Vertragsschluss vorgenommenen Handlungen grundsätzlich außer Betracht bleiben, während diese nach UNIDROIT und PECL zur Interpretation herangezogen werden sollen. Das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss scheint unter den UNIDROIT Principles im Vergleich zum amerikanischen Recht von größerer Bedeutung zu sein: Es kann nach den UNIDROIT Principles in jedem Fall herangezogen werden, während nach amerikanischen Recht dies nur im Zusammenhang mit einer course of performance relevant werden kann. Die meisten außerhalb des Erklärungsaktes liegenden und von den amerikanischen Gerichten zur Auslegung heran-60 gezogenen Umstände haben einen subjektiven Einschlag und beziehen sich auf die konkreten Parteien.

212 Dies kann abgeleitet werden von Aussagen wie "the overriding goal of contract interpretation is to give effect to the reasonable expectations of the parties".

Referring Principles
A project of CENTRAL, University of Cologne.